Dienstag, 23. September 2014


Vom Lernen, Lehren, Leben und Lachen



Oft werden Miri und ich gefragt: „Und, wie lange bleibt ihr?“. Unsere Antwort ist dann natürlich: „Ein ganzes Jahr.“ „Ach was, ein ganzes Jahr! Das ist ja eine lange Zeit. Seit wann seid ihr denn hier?“. Unsere Antwort ist: „Seit zwei Wochen“…
Ich bin doch nicht erst seit zwei Wochen hier! Ich habe schon so viel gesehen, so viel erlebt, so viel unternommen… Aber es ist wahr, ich bin seit zwei Wochen hier in Kenia und es kommt mir vor, als wären es bereits einige Monate. Allerdings hat es etwas Gutes: Für mich und für euch ist es viel übersichtlicher, wenn ich euch von meinen beiden Wochen hier erzähle, als von mehreren Monaten! Und aus diesem Grund fange ich auch gleich damit an.J



Vom Lernen und Lehren… Die Lutheran Church Special School


Sekretariats- und Lehrerzimmer-
häuschen
Hauptbestandteil meines Freiwilligendienstes ist nicht nur (hier) zu leben, sondern natürlich die Arbeit an der Special School. Die Schule umfasst ca. 60-70 Kinder und hat 10 Klassen, inklusive der Special Class, die für die Kinder mit Autismus.
Momentan, in unserer ersten Zeit an der Schule, ist es vor allem wichtig, dass Miri und ich uns trotz einiger Sprach- und Kulturbarrieren in das System einfuchsen. Das haben wir auch, indem wir in den letzten beiden Wochen alle Klassen besucht haben, um zu sehen, wie die Kinder Unterricht haben und was sie genau machen.

Das System der Special School, nach dem die Kinder die Klassen besuchen, ist eigentlich ziemlich gut. Es gibt 4 von den Anforderungen her aufsteigende Primery-Klassen. Im Prinzip sind das „ganz normale“ Klassen, die wie in der Grundschule Mathe, Suaheli, Englisch und Sport haben. Wenn die Kinder diese Klassen durchlaufen haben, kommen sie in einen Prä-Workshop. Dort wird herausgefunden, in welcher praktischen Tätigkeit sie gut sind, um später in den für sie geeignetesten Workshop zugeordnet zu werden. Es gibt den Näh-, Agrar, Holz- und den Haushaltsworkshop.

Naja, so die Theorie. Wie ich aber schon lernen durfte, unterscheidet sich hier die Theorie oftmals von der Praxis. Eine Vielzahl der Schüler sind länger als nur ein Jahr in einer Klasse und die Umsetzung der Fächer und Workshops ist manchmal auch eine Sache für sich. Aber dazu später…
Miris und mein Schultag beginnt morgens um 07.45 Uhr mit der Vorbereitung des Mandaziteigs. 4 Kilo klebrigen Teig in einer Schüssel zu kneten ist gar nicht so leicht, wie es sich anhört. Vor allem nicht, wenn man in Gedanken noch schläft und nur der Körper anwesend ist. Eins sag ich euch aber, nach diesem Morgensport bist du voll da! Musst du auch, denn um 08.00 Uhr beginnt die Morgenveranstaltung. Alle Schüler versammeln sich in der kleinen Halle und dann wird gesungen, geklatscht und manchmal sogar getanzt, dass die Heide wackelt. Aber nicht nur das. Da die Schule eine christliche Einrichtung ist, lernen die Kinder Geschichten aus der Bibel kennen und zum Abschluss wird ein Morgengebet gesprochen, was ich als alter Christ ja total super finde. Leider ist das Meiste auf Suaheli, deswegen verstehe ich immer nur die Schlüsselwörter „essen“ und „schlafen“. J
Konzentriert beim Zubereiten der Mandazi
Danach geht es dann ans Mandazi backen. (Das sind übrigens kleine Teigdreiecke, die in Öl frittiert werden.) Erst wird der Teig in 30 Kugeln aufgeteilt, dann ausgerollt und die Kreise geviertelt. Anschließend kommen die so entstandenen Dreiecke in den Topf über der offenen Feuerstelle und werden solange in dem Öl gewendet, bis sie braun sind.
Um 10.30 Uhr beginnt die erste Pause, die Tea-Break, in der Miri und ich die Mandazi an Mann bringen. Jeder Schüler bekommt einen umsonst, jeder weitere kostet 5 Schilling und auch die Lehrer müssen bezahlen.
Nach der Pause beginnt eine Zeit, die ich nicht genau definieren kann. Ab und zu haben wir nach der Tea-Break in anderen Klassen gesessen und uns den Unterricht angesehen. Allerdings wird nach dieser Pause nicht mehr wirklich viel mit den Kindern gemacht. Ein Großteil der Schüler fädelt Perlen auf, die Anderen spielen mit leeren Flaschen oder Bausteinen und nur Wenige machen tatsächlich richtigen Unterricht. In den letzten Tagen sind Miri und ich in dem Workshop geblieben, der uns bei den Mandazi hilft, und haben auch fleißig gefädelt.
Lieblingsbeschäftigung:
toben!
Die Mittagspause beginnt um 12.30 Uhr. Da der Essensraum nicht wirklich groß ist, geht manchmal drunter und drüber. Da wird dann Essen von dem Teller des Anderen gemopst, die Hälfte landet sowieso auf dem Tisch oder dem Boden… Oder bei mir auf den Sachen. Manchmal fühle ich mich wirklich, wie eine große, wandelnde Serviette. Großen Gefallen habe ich am Füttern des einen Jungen gefunden. Er heißt Rony, sitzt im Rollstuhl (im wahrsten Sinne des Wortes, denn es ist ein Plastikstuhl auf einem Gestell mit Rädern festgebunden) und er hat irgendetwas an sich, was mich fasziniert. Wenn ich es weiß, werde ich es euch mitteilen. Auf jeden Fall verstehen wir uns super und sind schon dicke Freunde geworden. Nach dem Essen spielen wir mit den Kindern, bis die letzte halbe Stunde Unterricht anfängt.
Im Suaheli-Unterricht
14.30 Uhr beginnt für Miri und mich dreimal in der Woche Suaheli-Unterricht. Den bekommen wir von einer Lehrerin, die eigentlich einmal Oberstufenlehrerin war. Bisher haben wir wichtige Wörter für den Alltagsgebrauch mit den Kindern gelernt, wie zum Beispiel: „Stop – wacha, aufstehen – simama“ oder „Öffne die Tür – Funga mlango“. Mit der Grammatik tun wir uns etwas schwerer, das liegt aber an der Sprachbarriere. Der Unterricht ist ja auf Englisch und das kenianische Englisch ist manchmal ein bisschen verwirrend. Oftmals hat man das Gefühl, dass die Lehrer die gestellte Frage nicht verstehen, oder aber sie sie verstanden haben und irgendetwas Unpassendes darauf antworten. Aber wer weiß, vielleicht steigen wir da noch hinter.
Nach diesem letzten Unterricht haben Miri und ich in den letzten Tagen immer Musik über eine Anlage angemacht, um mit den Kindern draußen auf der Veranda zu tanzen. Ihr glaubt ja nicht, wie die Kleinen abgehen! Es ist unglaublich, aber egal wie schwerwiegend die Behinderung auch sein mag, die Musik und den Rhythmus haben sie im Blut!
Mit den Mädels aus dem Haushaltsworkshop
Das war der Schnelldurchlauf eines ganz normalen Schultages der letzten beiden Wochen. Miri und mir sind während dessen natürlich auch schon Ideen für erste, kleine Projekte gekommen, aber davon erzähle ich euch ein andermal.









Vom Leben…


Auf dem Weg zum
Hippo Point
Stellt euch mal vor, ich habe im Lake Victoria echte, lebende Flusspferde gesehen! Das war einer der Momente, wo ich bewusst gemerkt habe, dass ich tatsächlich in Afrika bin. Naja gut, das haben wir bereits auf dem Weg zum „Hippo Point“ gemerkt, weil die Landschaft so wunderschön und so anders war! Außerdem schien die Sonne so heiß auf uns herab, das wäre in Deutschland undenkbar gewesen. An dem Tag sind wir sogar relativ braun geworden. Ich muss aber dazu sagen: Die Illusion von „Hey ich bin braun geworden“ wird dir als Europäer sofort wieder geraubt, wenn du neben einem Kenianer stehst. :D Jedenfalls ist dieser Platz am See unser Lieblingsplatz geworden und wir freuen uns schon tierisch auf Freitag, wenn wir uns wieder Sodaschlürfend die Sonne auf den Bauch scheinen lassen können.
















Letzte Woche Mittwoch haben Miri und ich drei Lehrer zum Tee zu uns nach Hause eingeladen.  Einmal unsere Direktorin Madame Ouma, die etwas Ältere Frau (bei ihr kaufen wir übrigens auch immer unsere Eier), dann Miriam, unsere Suaheli und Mandazi-Lehrerin und Ibrahim, weil er vor der Ausreise viel für uns mit der Botschaft organisiert hat und unglaublich nett ist. Wir hatten wirklich viele witzige Gespräche, trotz diesem Problem mit dem kenianischen Englisch. Madame Ouma hat ganz oft gesagt, dass sie jetzt unsere afrikanische Großmutter sei und weil sie deutsche Teebeutel so klasse fanden, haben sie sich welche mit nach Hause genommen. Ein wirklich schöner Abend mit wirklich netten Menschen!



Wir ihr euch jedoch trotz aller guten Nachrichten bestimmt denken könnt, ist hier lange nicht alles so rosig. Man wird mit vielen  Konflikten konfrontiert, besonders zwischen Gesellschaft und Politik. Aber auch die Konflikte zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen bekommen wir mit.
Eine Begebenheit möchte ich euch erzählen, die mich sehr zum Nachdenken angeregt hat…
Wir wollten an einem Morgen zum Lake Victoria fahren und hatten schon von Unruhen in der Stadt gehört. Irgendeine Demonstration schien wohl aus dem Ruder gelaufen zu sein. Ihr müsst wissen, die ethnische Gruppe der Luo, der hier in diesem Gebiet zuhause ist, kann in Bezug auf Politik ziemlich aggressiv werden und geht wenn es hart auf hart kommt auch über Leichen. Deswegen haben wir unserem Fahrer auch gesagt, er solle doch bitte nicht durch die Stadt fahren. Ihr könnt euch sicherlich denken, wo er langgefahren ist? Genau, durch die Stadt… und noch bevor wir die Stelle der Ausschreitungen erreichten, tränten unsere Augen vom Tränengas, das die Polizei eingesetzt hatte. Und plötzlich, zu unserer linken Seite, war da, wo am vorherigen Tag noch ein riiiiiieesiger Markt war, alles kurz und klein gehauen. Unzählige Menschen standen vor ihren zerkleinerten Ständen. Früchte, Schuhe, Gemüse, etc. lag herum, Asche war auf der Straße und Polizisten standen mit Maschinenpistolen am Rand… Es war unbegreiflich! Daraufhin haben wir unseren Tuktuk-Fahrer gefragt, was denn passiert sei. Die Stadt Kisumu möchte da, wo der Markt mal war, einen Parkplatz bauen und hat die Händler mehrmals aufgefordert den Platz zu räumen. Die Händler allerdings sind geblieben, obwohl das Grundstück ja der Stadt gehört. Das ist auch verständlich, denn das war bis dahin ihre Existenz, die Ware Tag für Tag auf dem Markt zu verkaufen. Jedenfalls war dieses besagte Datum der letzte Termin für die Händler und da sie ihn nicht eingehalten haben, hat die Polizei die Situation gewaltsam „gelöst“. So, aber was ist nun richtig, was ist nun falsch? Wer hat Recht, wer hat Unrecht? Das bringt einen wirklich ins Schleudern.
Und genau solche Konflikte erleben wir täglich. Manchmal sitzen Miri und ich einfach nur beieinander, sagen nichts und grübeln, bis wir wieder und wieder nichts feststellen, sondern hinnehmen. Hinnehmen, aber dennoch: Stelle merken und daraus lernen!

Vom Lachen…


Da es nun aber nicht meine Art ist euch mit solch einer Grübelei ins Bett gehen zu lassen, versorge ich euch noch mit einer meiner Best-of-Luisa-in-Kenia-Geschichten…
Hier in Kenia wird es immer schon sehr früh dunkel. Ab um sieben ist hier Schicht im Schacht. Das ist vor allem nicht gerade von Vorteil, wenn deine Toilette außerhalb der Wohnung ist und kein Licht hat. Mit anderen Worten: Man geht immer mit Taschenlampe (auch um lichtempfindliche Straßenhunde zu vertreiben).
Jedenfalls, klein Luisa geht nun also mit ihrer Taschenlampe aufs Loch, will die angeschaltete Taschenlampe an den Nagel hängen, sie hing auch… für einen Moment… und dann fiel sie in unserer Toilette. Ihr könnt euch ja gar nicht vorstellen, wie ich angefangen habe zu lachen. Wisst ihr, wo wir ja sonst schon nichts haben, ist wenigstens mal die Toilette von innen beleuchtet gewesen. :D
Miri kam dann auch gleich herbeigeeilt, um diesen historischen Moment festzuhalten und hier ist er nun, der Beweis dafür, dass wir Spaß haben:






Mit diesem Betthüpferle verabschiede ich mich nun für heute.
Schlaft gut und passt auf euch auf!

Eure Luisa

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