Montag, 6. Oktober 2014

Der erste Monat meines Lebens




Wahnsinn, wie die Zeit vergangen ist. Ich bin jetzt schon einen Monat so weit weg von Zuhause.
Einen Monat ohne Mama und Papa, einen Monat ohne meine Familie und Freunde, einen Monat ohne fließendes Wasser, einen Monat ohne ein richtiges Bett, einen Monat ohne vertraue Gesichter und Umgebungen, einen Monat ohne Käse und Brot, einen Monat ohne mein altes Leben.

So könnte man das sehen. Möchte ich aber nicht, denn für mich war dieser Monat eher so:
Einen Monat mit einer wunderbaren Freundin in einer ziemlich abgefahrenen ersten eigenen Wohnung, einen Monat mit einzigartigen Kindern, einen Monat mit Sonnenschein und Wärme, einen Monat mit unzählbaren Eindrücken und Erfahrungen, die ich in Deutschland nicht gesammelt hätte, einen Monat mit Umstellungen, die ich lieben lerne, einen Monat mit Schwierigkeiten, die ich gemeistert habe und die mich nicht kleinbekommen haben, einen Monat in einem so vielfältigen und „anderem“ Land.
Einen Monat im Traum meines Lebens – Der erste Monat meines Lebenstraums…





Bether. eine der großen Schülerinnen
In den vier Wochen haben Miri und ich alles gegeben, um unseren Platz in der Schule zu finden, uns mit den Kindern anzufreunden und uns einzuarbeiten. Das war nicht immer ganz einfach, da Sachen, wie zum Beispiel hygienische Angelegenheiten, die Arbeitsmoral, usw. , anders gehandhabt werden, als in Deutschland.
Nachdem wir aber vergangene Woche ein Meeting mit der Schuldirektorin und einigen Lehrern hatten, fühlen wir uns an der Schule angekommen. Unser Stundenplan steht und wir haben auch schon einige Projektideen, die der Schule helfen sollen.
Das erste kleine Projekt haben wir sogar schon begonnen. Gegenüber von dem Haus unserer Direktorin ist ein Gemüsebeet (wem das jetzt genau gehört haben wir noch nicht herausgefunden) und zwischen Sukuma Wiki und Spinat wachsen da auch die wildesten Unkräuter denen wir den Garaus machen wollen. Das ist ganz schön witzig, weil man alle 3 Minuten spekuliert, ob die Pflanze, die man gerade herausgerissen hat, gewollt oder einfach nur schönes afrikanisches Unkraut war.
Nichtsdestotrotz ist es toll eine Arbeit zu machen, bei der man am Ende des Tages sieht was man geschafft hat.
Für das kommende Jahr habe ich mir auch eine kleine Aufgabe gestellt. Die Kinder putzen sich nach dem Mittag eigentlich die Zähne, aber Einige von ihnen können das nicht alleine. So auch Victor, einer der älteren Schüler. Die Sache ist, er ist etwas speziell, da er seinen Mund nicht schließt und  nicht schluckt. Deswegen läuft der Speichel ungehindert hinaus, was hier in der Hitze unangenehme Folgen hat. Da verstehe ich auch irgendwo, dass man ihm nicht so gern die Zähne putzt. Er hat mich beim ersten Mal aber einfach an die Hand genommen und zu den Zahnbürsten gezogen, da konnte ich schlecht „Nein“ sagen. Nachdem ich anfing zu putzen blutete er plötzlich sehr stark und da bin ich ehrlich gesagt etwas an meine Grenzen gestoßen. Der Konflikt in mir war ungefähr so: ‚Okay Luisa, wenn du weiter putzt, dann blutet er. Oh man, du machst, dass das Kind blutet!!! Auf der anderen Seite, wenn du ihm jetzt nicht die Zähne putzt wird es nur noch schlimmer…“
Was soll ich sagen? Ich habe natürlich weiter gemacht. Und nun mach ich es täglich,  das Zahnfleischbluten hat nachgelassen und sein Lächeln über ein frisches Gefühl im Mund ist unbezahlbar! J

Natürlich hat sich auch in unserem privaten Leben ordentlich was getan. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wo ich da anfangen soll…
Ich beginne mal bei unseren Nachbarn, das ist nämlich eine ziemlich beeindruckende Sache, wie ich finde. Miri und ich dachten echt unsere Wohnung sei klein, eng, dunkel, wir haben anfangs rumgewundert, dass wir weder Dusche, noch eine richtige Küche haben… Bis wir mal bei unseren Nachbarn drüben waren. Danach sind wir ganz kleinlaut geworden. Die 4-köpfige Familie wohnt in einem ca. 10 großen Raum. Ohne Küche, ohne Bad (sie duschen in unserer Toilette), in dem Raum steht nur ein großes Bett in dem Mama, Papa und die beiden Kinder Rawia und Faisal schlafen. Seitdem sagen Miri und ich uns so oft „Uns geht es hier so gut.“ Und besonders uns/euch in Deutschland geht es so unbeschreiblich gut, ich wünschte wir könnten das Leben, das wir führen und die Dinge, die wir haben, viel mehr wertschätzen.

Rawia, das kleine Mädchen von nebenan, ist beinahe täglich bei uns in der Wohnung und hilft uns bei allen möglichen Sachen. Neulich hat sie mir sogar beim Haare kämmen geholfen. Aber ich glaube dazu muss ich nicht viel sagen, außer dass ich in manchen Momenten tierisch gelitten habe. =D
Mit ihr haben wir schon einiges erlebt. Gestern hat sie uns zum Beispiel aus der Küche rausgeschickt, weil sie unbedingt den Abwasch machen wollte. Nach 10 Minuten mussten Miri und ich durch den Flur schwimmen, um in die Küche zu gelangen. Alles stand unter Wasser, nur das Geschirr war komischer Weise trocken.



Endlich wieder... 
Es ist noch etwas anderes tolles geschehen… Miri und ich haben uns… mit zwei kenianischen jungen Männern über die Schule angefreundet (wie schreibt man denn sowas, ohne dass Papa anfängt sich Sorgen zu machen?!) und sie sind unheimlich vernünftig, zuvorkommend, humorvoll und machen Musik (ich hoffe, ich habe die Kurve bekommen Papa). Letzte Woche Sonntag haben sie mir geholfen in Kisumu ein Klavier zum Üben zu finden. Wider allen Erwartungen fanden wir tatsächlich eins in einer Baptist Church. Es ist nichts Überragendes, aber ich bin zufrieden damit und froh überhaupt etwas gefunden zu haben. Leider ist es weit weg von meinem Viertel und die Gegend ist nicht ganz sicher, vor allem nicht, wenn man dort alleine unterwegs ist. Ich werde weiterhin nach einem Anderen Ausschau halten. Aber jeder der mich kennt, kann sich sicher sehr gut vorstellen, wie ich mich nach vier Wochen Abstinenz über das Klavierspielen gefreut habe! Im Laufe der Woche werde ich wieder hinfahren und auch mal wieder singen üben. Ich merke jeden Tag mehr, dass ich diesen Ausgleich und die Musik einfach für mich brauche.
Einer von Vielen... Affen - einfach so da!
Nun aber zurück zu Ian und Donald, unseren Freunden. Am Samstag haben wir echt den perfekten Tag mit ihnen erlebt! Unser Wunsch war es nämlich hier zu wandern und zu klettern, weil die Landschaft gigantisch ist! Also holten sie uns morgens (gegen 11.30Uhr) mit einem gemeinsamen Freund ab, der sich in den Bergen von Maseno auskennt. Der Ort Maseno liegt direkt am Fuß von vielen Hügelbergen (Ich weiß nicht, ob das schon Berge sind, auf jeden Fall sind es keine Hügel), also perfekt zum wandern. Auf dem ersten Abschnitt des Weges dann die große Überraschung: Affen in freier Wildbahn! Damit haben wir wirklich nicht gerechnet, aber jetzt wo ich das hier so schreibe…  stimmt ja, wir sind ja in Afrika… J
Die Berge um Maseno sind überstreut von Felsen und von den Felsen oben auf der Spitze hat man eine wahnsinnige Aussicht. Wir konnten bis nach Uganda schauen und den Lake Victoria von Oben sehen. Aber wie das immer so ist, noch während wir uns mit Panoramablick  ausruhten, fing es natürlich an zu regnen. Zum Glück kann ich sagen, denn eine Frau kam aus ihrer Lehmhütte, und lud uns ein bei ihr zu bleiben, bis der Regen vorüber war. In dem Häuschen gab es kein Wasser, kein Strom und die Henne hat mit ihren Küken neben uns im „Wohnzimmer“ gehockt und auch auf Sonnenschein gewartet. Das war sehr beeindruckend, denn die Frau hat einen zufriedenen Eindruck gemacht. 

               Braucht man vielleicht gar nicht mehr um zufrieden und glücklich zu sein?

Familienfoto J


Wenn man es genauer betrachtet...
Miri auf der Nordhalbugel, ich auf der Südhalbkugel
Nach einer halben Stunde sind wir wieder heruntergeklettert und haben noch einen Abstecher zum Äquator gemacht, bevor wir etwas Essen gegangen sind.
Es war der perfekte Tag und wir können so froh sein Leute von hier zu kennen, die wissen wie der Hase läuft und uns Dinge erleben lassen, auf die wir nicht von alleine gekommen wären!




Kleines Fazit

 Das kleine Fazit ist eigentlich ein wunderschönes großes Fazit: Ich liebe mein Leben hier. Ich fühle mich so wohl, so Zuhause und ich habe jetzt schon so viel gelernt.
Ich merke, wie ich jeden Tag zufriedener und dankbarer für das werde, was ich habe. Wenn es im ersten Moment auch nicht viel scheint, schaut man genauer hin wird einem bewusst wie kostbar zum Beispiel der kleinste Schluck Trinkwasser ist. Und wenn man hier mit seinem Beutel Obst durch die Straße läuft und an die Menschen denkt, die neben einem laufen und sich das vielleicht nicht leisten können, fühlt man sich, als trage man essbares Gold.
Ich kann euch sagen, unser Leben in Deutschland ist im Großen und Ganzen wunderschön, wenn man es aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet und man versucht nicht nach dem „Mehr“ zu streben.

So viel zu meiner Zeit hier in Kenia. Am Donnerstag reisen wir für ein paar Tage nach Uganda, weil wir drei Tage frei haben. Das wird bestimmt ein lustiger Trip und ich freue mich schon wieder etwas Neues zu erleben!

Ich denke an euch und hoffe, dass es euch allen gut geht!

Eure Luisa


PS: Nach einem kleinen Drama, weil der Postcode nicht stimmte, hat mich dann heute doch der erste Brief und das erste Paket erreicht! Danke Mama, wir freuen uns riesig über die Sachen, vor allem über das Stollenkonfekt, das ich mir vorgenommen habe bis Weihnachten aufzuheben. Und… die Nutella! Bei uns gab es vorhin gleich erstmal ein Nutella-Toast. Glaubt mir, das war definitiv unser heutiges Highlight! J




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