Vom Lernen, Lehren, Leben und Lachen
Oft werden Miri und ich gefragt: „Und, wie lange bleibt ihr?“. Unsere Antwort ist dann natürlich: „Ein ganzes Jahr.“ „Ach was, ein ganzes Jahr! Das ist ja eine lange Zeit. Seit wann seid ihr denn hier?“. Unsere Antwort ist: „Seit zwei Wochen“…
Ich bin doch
nicht erst seit zwei Wochen hier! Ich habe schon so viel gesehen, so viel
erlebt, so viel unternommen… Aber es ist wahr, ich bin seit zwei Wochen hier in
Kenia und es kommt mir vor, als wären es bereits einige Monate. Allerdings hat
es etwas Gutes: Für mich und für euch ist es viel übersichtlicher, wenn ich
euch von meinen beiden Wochen hier erzähle, als von mehreren Monaten! Und aus
diesem Grund fange ich auch gleich damit an.J
Vom Lernen und Lehren… Die Lutheran Church Special School
Sekretariats- und Lehrerzimmer- häuschen |
Hauptbestandteil
meines Freiwilligendienstes ist nicht nur (hier) zu leben, sondern natürlich
die Arbeit an der Special School. Die Schule umfasst ca. 60-70 Kinder und hat
10 Klassen, inklusive der Special Class, die für die Kinder mit Autismus.
Momentan, in
unserer ersten Zeit an der Schule, ist es vor allem wichtig, dass Miri und ich
uns trotz einiger Sprach- und Kulturbarrieren in das System einfuchsen. Das
haben wir auch, indem wir in den letzten beiden Wochen alle Klassen besucht
haben, um zu sehen, wie die Kinder Unterricht haben und was sie genau machen.
Das System
der Special School, nach dem die Kinder die Klassen besuchen, ist eigentlich
ziemlich gut. Es gibt 4 von den Anforderungen her aufsteigende Primery-Klassen.
Im Prinzip sind das „ganz normale“ Klassen, die wie in der Grundschule Mathe,
Suaheli, Englisch und Sport haben. Wenn die Kinder diese Klassen durchlaufen haben,
kommen sie in einen Prä-Workshop. Dort wird herausgefunden, in welcher praktischen
Tätigkeit sie gut sind, um später in den für sie geeignetesten Workshop zugeordnet
zu werden. Es gibt den Näh-, Agrar, Holz- und den Haushaltsworkshop.
Naja, so die
Theorie. Wie ich aber schon lernen durfte, unterscheidet sich hier die Theorie oftmals
von der Praxis. Eine Vielzahl der Schüler sind länger als nur ein Jahr in einer
Klasse und die Umsetzung der Fächer und Workshops ist manchmal auch eine Sache
für sich. Aber dazu später…
Miris und
mein Schultag beginnt morgens um 07.45 Uhr mit der Vorbereitung des
Mandaziteigs. 4 Kilo klebrigen Teig in einer Schüssel zu kneten ist gar nicht
so leicht, wie es sich anhört. Vor allem nicht, wenn man in Gedanken noch
schläft und nur der Körper anwesend ist. Eins sag ich euch aber, nach diesem
Morgensport bist du voll da! Musst du auch, denn um 08.00 Uhr beginnt die
Morgenveranstaltung. Alle Schüler versammeln sich in der kleinen Halle und dann
wird gesungen, geklatscht und manchmal sogar getanzt, dass die Heide wackelt.
Aber nicht nur das. Da die Schule eine christliche Einrichtung ist, lernen die
Kinder Geschichten aus der Bibel kennen und zum Abschluss wird ein Morgengebet
gesprochen, was ich als alter Christ ja total super finde. Leider ist das
Meiste auf Suaheli, deswegen verstehe ich immer nur die Schlüsselwörter „essen“
und „schlafen“. J
Konzentriert beim Zubereiten der Mandazi |
Danach geht
es dann ans Mandazi backen. (Das sind übrigens kleine Teigdreiecke, die in Öl
frittiert werden.) Erst wird der Teig in 30 Kugeln aufgeteilt, dann ausgerollt
und die Kreise geviertelt. Anschließend kommen die so entstandenen Dreiecke in
den Topf über der offenen Feuerstelle und werden solange in dem Öl gewendet,
bis sie braun sind.
Um 10.30 Uhr
beginnt die erste Pause, die Tea-Break, in der Miri und ich die Mandazi an Mann
bringen. Jeder Schüler bekommt einen umsonst, jeder weitere kostet 5 Schilling
und auch die Lehrer müssen bezahlen.
Nach der
Pause beginnt eine Zeit, die ich nicht genau definieren kann. Ab und zu haben
wir nach der Tea-Break in anderen Klassen gesessen und uns den Unterricht
angesehen. Allerdings wird nach dieser Pause nicht mehr wirklich viel mit den
Kindern gemacht. Ein Großteil der Schüler fädelt Perlen auf, die Anderen
spielen mit leeren Flaschen oder Bausteinen und nur Wenige machen tatsächlich
richtigen Unterricht. In den letzten Tagen sind Miri und ich in dem Workshop
geblieben, der uns bei den Mandazi hilft, und haben auch fleißig gefädelt.
Lieblingsbeschäftigung: toben! |
Die Mittagspause
beginnt um 12.30 Uhr. Da der Essensraum nicht wirklich groß ist, geht manchmal drunter
und drüber. Da wird dann Essen von dem Teller des Anderen gemopst, die Hälfte
landet sowieso auf dem Tisch oder dem Boden… Oder bei mir auf den Sachen.
Manchmal fühle ich mich wirklich, wie eine große, wandelnde Serviette. Großen
Gefallen habe ich am Füttern des einen Jungen gefunden. Er heißt Rony, sitzt im
Rollstuhl (im wahrsten Sinne des Wortes, denn es ist ein Plastikstuhl auf einem
Gestell mit Rädern festgebunden) und er hat irgendetwas an sich, was mich
fasziniert. Wenn ich es weiß, werde ich es euch mitteilen. Auf jeden Fall
verstehen wir uns super und sind schon dicke Freunde geworden. Nach dem Essen
spielen wir mit den Kindern, bis die letzte halbe Stunde Unterricht anfängt.
Im Suaheli-Unterricht |
14.30 Uhr beginnt
für Miri und mich dreimal in der Woche Suaheli-Unterricht. Den bekommen wir von
einer Lehrerin, die eigentlich einmal Oberstufenlehrerin war. Bisher haben wir
wichtige Wörter für den Alltagsgebrauch mit den Kindern gelernt, wie zum
Beispiel: „Stop – wacha, aufstehen – simama“ oder „Öffne die Tür – Funga mlango“.
Mit der Grammatik tun wir uns etwas schwerer, das liegt aber an der Sprachbarriere.
Der Unterricht ist ja auf Englisch und das kenianische Englisch ist manchmal
ein bisschen verwirrend. Oftmals hat man das Gefühl, dass die Lehrer die gestellte
Frage nicht verstehen, oder aber sie sie verstanden haben und irgendetwas Unpassendes
darauf antworten. Aber wer weiß, vielleicht steigen wir da noch hinter.
Nach diesem
letzten Unterricht haben Miri und ich in den letzten Tagen immer Musik über eine
Anlage angemacht, um mit den Kindern draußen auf der Veranda zu tanzen. Ihr
glaubt ja nicht, wie die Kleinen abgehen! Es ist unglaublich, aber egal wie schwerwiegend
die Behinderung auch sein mag, die Musik und den Rhythmus haben sie im Blut!
Mit den Mädels aus dem Haushaltsworkshop |
Das war der
Schnelldurchlauf eines ganz normalen Schultages der letzten beiden Wochen. Miri
und mir sind während dessen natürlich auch schon Ideen für erste, kleine
Projekte gekommen, aber davon erzähle ich euch ein andermal.
Vom Leben…
Auf dem Weg zum Hippo Point |
Stellt euch
mal vor, ich habe im Lake Victoria echte, lebende Flusspferde gesehen! Das war
einer der Momente, wo ich bewusst gemerkt habe, dass ich tatsächlich in Afrika bin.
Naja gut, das haben wir bereits auf dem Weg zum „Hippo Point“ gemerkt, weil die
Landschaft so wunderschön und so anders war! Außerdem schien die Sonne so heiß
auf uns herab, das wäre in Deutschland undenkbar gewesen. An dem Tag sind wir
sogar relativ braun geworden. Ich muss aber dazu sagen: Die Illusion von „Hey
ich bin braun geworden“ wird dir als Europäer sofort wieder geraubt, wenn du
neben einem Kenianer stehst. :D Jedenfalls ist dieser Platz am See unser Lieblingsplatz geworden und wir freuen uns schon tierisch auf Freitag, wenn wir
uns wieder Sodaschlürfend die Sonne auf den Bauch scheinen lassen können.
Letzte Woche
Mittwoch haben Miri und ich drei Lehrer zum Tee zu uns nach Hause eingeladen. Einmal unsere Direktorin Madame Ouma, die
etwas Ältere Frau (bei ihr kaufen wir übrigens auch immer unsere Eier), dann
Miriam, unsere Suaheli und Mandazi-Lehrerin und Ibrahim, weil er vor der
Ausreise viel für uns mit der Botschaft organisiert hat und unglaublich nett
ist. Wir hatten wirklich viele witzige Gespräche, trotz diesem Problem mit dem
kenianischen Englisch. Madame Ouma hat ganz oft gesagt, dass sie jetzt unsere
afrikanische Großmutter sei und weil sie deutsche Teebeutel so klasse fanden,
haben sie sich welche mit nach Hause genommen. Ein wirklich schöner Abend mit
wirklich netten Menschen!
Wir ihr euch
jedoch trotz aller guten Nachrichten bestimmt denken könnt, ist hier lange
nicht alles so rosig. Man wird mit vielen Konflikten konfrontiert, besonders zwischen
Gesellschaft und Politik. Aber auch die Konflikte zwischen den verschiedenen ethnischen
Gruppen bekommen wir mit.
Eine Begebenheit
möchte ich euch erzählen, die mich sehr zum Nachdenken angeregt hat…
Wir wollten
an einem Morgen zum Lake Victoria fahren und hatten schon von Unruhen in der
Stadt gehört. Irgendeine Demonstration schien wohl aus dem Ruder gelaufen zu
sein. Ihr müsst wissen, die ethnische Gruppe der Luo, der hier in diesem Gebiet
zuhause ist, kann in Bezug auf Politik ziemlich aggressiv werden und geht wenn
es hart auf hart kommt auch über Leichen. Deswegen haben wir unserem Fahrer
auch gesagt, er solle doch bitte nicht durch die Stadt fahren. Ihr könnt euch
sicherlich denken, wo er langgefahren ist? Genau, durch die Stadt… und noch
bevor wir die Stelle der Ausschreitungen erreichten, tränten unsere Augen vom
Tränengas, das die Polizei eingesetzt hatte. Und plötzlich, zu unserer linken
Seite, war da, wo am vorherigen Tag noch ein riiiiiieesiger Markt war, alles
kurz und klein gehauen. Unzählige Menschen standen vor ihren zerkleinerten
Ständen. Früchte, Schuhe, Gemüse, etc. lag herum, Asche war auf der Straße und
Polizisten standen mit Maschinenpistolen am Rand… Es war unbegreiflich!
Daraufhin haben wir unseren Tuktuk-Fahrer gefragt, was denn passiert sei. Die
Stadt Kisumu möchte da, wo der Markt mal war, einen Parkplatz bauen und hat die
Händler mehrmals aufgefordert den Platz zu räumen. Die Händler allerdings sind
geblieben, obwohl das Grundstück ja der Stadt gehört. Das ist auch verständlich,
denn das war bis dahin ihre Existenz, die Ware Tag für Tag auf dem Markt zu
verkaufen. Jedenfalls war dieses besagte Datum der letzte Termin für die
Händler und da sie ihn nicht eingehalten haben, hat die Polizei die Situation
gewaltsam „gelöst“. So, aber was ist nun richtig, was ist nun falsch? Wer hat
Recht, wer hat Unrecht? Das bringt einen wirklich ins Schleudern.
Und genau
solche Konflikte erleben wir täglich. Manchmal sitzen Miri und ich einfach nur
beieinander, sagen nichts und grübeln, bis wir wieder und wieder nichts
feststellen, sondern hinnehmen. Hinnehmen, aber dennoch: Stelle merken und daraus
lernen!
Vom Lachen…
Da es nun
aber nicht meine Art ist euch mit solch einer Grübelei ins Bett gehen zu
lassen, versorge ich euch noch mit einer meiner Best-of-Luisa-in-Kenia-Geschichten…
Hier in
Kenia wird es immer schon sehr früh dunkel. Ab um sieben ist hier Schicht im
Schacht. Das ist vor allem nicht gerade von Vorteil, wenn deine Toilette
außerhalb der Wohnung ist und kein Licht hat. Mit anderen Worten: Man geht
immer mit Taschenlampe (auch um lichtempfindliche Straßenhunde zu vertreiben).
Jedenfalls,
klein Luisa geht nun also mit ihrer Taschenlampe aufs Loch, will die
angeschaltete Taschenlampe an den Nagel hängen, sie hing auch… für einen Moment…
und dann fiel sie in unserer Toilette. Ihr könnt euch ja gar nicht vorstellen,
wie ich angefangen habe zu lachen. Wisst ihr, wo wir ja sonst schon nichts
haben, ist wenigstens mal die Toilette von innen beleuchtet gewesen. :D
Miri kam
dann auch gleich herbeigeeilt, um diesen historischen Moment festzuhalten und
hier ist er nun, der Beweis dafür, dass wir Spaß haben:
Mit diesem
Betthüpferle verabschiede ich mich nun für heute.
Schlaft gut
und passt auf euch auf!
Eure Luisa