Dienstag, 4. August 2015

Ganz anders, als ich dachte


Letzte Woche hieß es Abschied nehmen von unseren Kindern und der Arbeit im Projekt.
Ich muss ganz ehrlich sein, die letzten Wochen verliefen wie jede andere auch. Nur war der Beigeschmack ein neuer. „Es könnte das letzte Mal sein, dass du das tust“, ging mir so ziemlich bei allem durch den Kopf. Und tatsächlich, schwuppdiwupp sind die Wochen um und nun gehört es der Vergangenheit an. Was bleibt, sind die Erinnerungen an die letzte Zeit und an den schönsten möchte ich euch nun teilhaben lassen.

Am Donnerstag vor 3 Wochen schnappten wir uns 17 der großen Kinder und „entführten“ sie zum Victoriasee. Die Fahrt dorthin war eigentlich die schönste Zeit, die ich je in einem Matatu verbrachte. Wir waren noch nie mit unseren Schülern auf so engem Raum zusammengequetscht und ich muss ehrlich sagen, ich habe es richtig genossen. Die Kinder waren auch bester Laune, sangen und schauten gespannt aus dem Fenster, nicht wissend, wo es hingeht.
Nur Anna, unser kleiner Downie, die wusste wo wir hinwollten. Miri fragte sie nämlich, ob sie gemeinsam im See schwimmen gehen wollen. „Anakata!“ (dt.: „Ich weigere mich!“) „Siendi!“ (dt.: „Ich gehen nicht!“„No way!“ (dt.: „Auf gar keinen Fall!“). Das sind so ziemlich alle ablehnenden Sätze, die Anna so drauf hat, und die durften wir uns von da an anhören, bis…
… bis alle Schüler, die Lehrerin Elisabeth, Miri und ich im Boot saßen und vom Ufer ablegten.
Nur Anna, anakata. Sie weigerte sich. Und setzte sich zu Mr. Collins, der wegen ihr an Land blieb. Aber wenigstens rief sie uns noch freundlicherweise hinterher: „Bye! Siendi! Bye!“


Und dann ging unsere aufregende Fahrt auf dem Victoriasee auch schon los.
Daniel, der Besitzer des Bootes, gab wirklich sein Bestes aus dem Trip ein Lehrveranstaltung zu machen. Welche Länder grenzen an den See, wie groß ist er, welche Fische leben darin… Nur war es für ihn erst befremdlich, dass die meisten Schüler auf seine W-Fragen mit „ja“ und „nein“ antworteten. Als er sich aber damit abfand und sein Erzählstil dem Publikum anpasste, machte es einfach nur noch Laune, und vor allem er hatte selbst richtig viel Spaß mit unseren Schülern. Die antworteten nämlich hochmotiviert auf jede Frage und was wollen Lehrer mehr?!
Noch zum Anfang unserer Tour begegneten wir tatsächlich einer Hippofamilie. Mama, Papa, 2 Kinder und Tante (oder so). Alle waren total aus dem Häuschen, wenn auch etwas ehrfürchtig. Immerhin saßen wir nur einige Meter von diesen gefährlichen Tieren entfernt in einem Boot, dass seine besten Tage schon hinter sich hatte. Aber eigentlich war das Staunen zu groß, um sich wirklich ernsthaft Sorgen zu machen

.
Nach einigen Minuten Fahrt näherten wir uns dem Ufer. Dort wuschen einige Frauen gerade ihre Kleidung im See. Daniel kommentierte das so: „Und hier waschen die Frauen ihre Kleidung im Wasser. Also Schüler, was machen sie?“ Und so antwortete lautstark unsere Linett: „Wasser!“.
Okay, vielleicht  ist das jetzt nur halb so komisch, wenn ich das schreibe. Aber stellt euch die Situation mal bildlich vor. Es war so herrlich!

Eine andere witzige Begebenheit erlebten wir mit Eugene. Daniel fragte ihn, ob er mal bitte den Kanister nehmen kann, um das Wasser aus dem Boot raus zu schöpfen (Wie gesagt, das Boot hatte seine besten Tage bereits hinter sich). Bei Eugene kamen aber irgendwie nur folgende Wörter an: Kanister nehmen und raus aus dem Boot. Denn völlig verwirrt nahm Eugene den Kanister, hielt ihn über den Rand des Boots, schaute uns ein letztes Mal zweifelnd an und ließ ihn dann los.
Zum Glück konnte Daniel den Kanister im letzten Moment noch greifen, aber auch das war einfach zu schön. Unsere kleinen Sonnenscheine - scheinen, ohne es zu beabsichtigen. ;-)
Insgesamt waren wir eine Stunde auf dem Wasser, dann wurde es zu warm, die Geduld ließ nach und Pauline musste mal dringend ins Gebüsch.

Im Anschluss gab es für alle noch eine Soda und frische Chipsy von unserer Hippo-Point-Mama Maria, die sich auch über so viele Besucher freute.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es ein wunderschöner Tag war, der (recht untypisch) ohne Probleme oder Überraschungen ablief. Nicht zuletzt, weil sich alle Schüler sehr gut benahmen und sogar Anna nach Pommes und Fanta Zufriedenheit und Ruhe ausstrahlte.

Unsere Anna...


Den Samstag vor den Ferien verbrachten wir mit unseren Schülern in der Schule. Es ist, als hätten wir geahnt, dass der Montag und Dienstag, die letzten Tage vor den Ferien nicht so werden sollten, wie es ein Märchenbuch vorgesehen hätte. Aber dazu komme ich später, nun erst einmal die Geschichte zum Samstag.

Für diesen Tag hatten Miri und ich den ultimativen „Spaßplan“ zusammengestellt. „6h Spaß pur – mit Miri und Luisa“, vielleicht finde ich ja einen Verlag, der ein Buch daraus macht.
Zum Einstieg kochten wir erst einmal frische Mandazi. Dann war die Teepause, in der ich meinen Victor fütterte und dann ging’s mit Ballspielen los. Miri spielte mit den Großen eine Variation von „Pflaume“, indem sie die Spieler in Mannschaften aufteilte. Ich versuchte mich mit den Kleineren und Langsameren in einer Art Ball-über-die-Schnur-und-Volleyball-Gemisch. Es ist auch eigentlich gar nicht wichtig, was es war. Hauptsache wir hatten Spaß.

Um 12 Uhr ging es für Miri und mich in die Küche zum Schneiden und Verteilen der Melonen und dann gab es Essen. In der Zeit brachte Miri die Musikanlage in die Schulhalle. Ihr müsst wissen, unsere Schüler… ach, das kann ich ruhig verallgemeinern… die Menschen hier lieben tanzen. Und ja, sie haben Rhythmus im Blut! Dagegen sehen unsere Bewegungen aus, als hätten wir einen Stromschlag abbekommen! Und weil unsere Kinder so darauf abfahren, lief ab dem Mittag Musik zum Tanzen.
Zur gleichen Zeit bauten Miri und ich heimlich Wasserbomben im Lehrerzimmer. Als ich das das letzte Mal in Deutschland machte, war es schon so frisch draußen, dass wir Luschen die Ballons mit warmem Wasser füllten… (Wisst ihr, was witzig ist? Gerade, wo ich das hier so schreibe, fällt mir wieder ein, dass wir uns bei unseren Wasserhähnen zwischen warmem und kaltem Wasser entscheiden können, da kommt ja beides raus. Das hatte ich total vergessen!)


Die Kinder reagierten auf die komischen Bälle genauso, wie wir es erwarteten. Im ersten Moment konnten sie das Gefühl überhaupt nicht einordnen und im zweiten kam dann die Erleuchtung: „Maji!“ (dt.: „Wasser!“) Jap, und dann gingen sie ab, wie Schmidts Katze. Teilweise flogen 5 Bomben gleichzeitig über‘s Netz.













Nachdem auch die zweite Ladung Wasserbomben verspielt war, räumten wir soweit alles auf, ich wusch meine Füße und zum Abschluss machten die Kinder Seifenblasen. (An dieser Stelle liebste Grüße an meine Tante Kerstin & Co., denn die Seifenblasenpustefläschchen kamen mit meinem Weihnachtspaket. Danke!)
Hier die schönsten Bilder für euch…





















Nun habe ich vorhin schon ganz wage angedeutet, dass unsere allerletzten Tage im Projekt nicht ganz so märchenhaft verliefen, wie man sich „letzte Tage“ so vorstellt.
Schon am Sonntagabend gammelte ich mit Fieber im Bett rum, riss mich am Montag dann aber zusammen. Der Tag an dem die Schule schließt und ich nicht dabei – das geht doch nicht!
Naja, 3 Stunden habe ich durchgehalten und dann ging es mir so schlecht, dass ich noch schnell einen Malaria- und Typhustest machte und mich dann wieder ins Bett verkroch.
Miri erzählte mir am Abend, dass die Abschlussversammlung der Schüler und Lehrer sehr schön war, die Schulleitung uns verabschiedete und liebe Grüße habe ich auch bekommen. Nein, ich habe mir mit nicht in den Po gebissen, nicht dabei gewesen zu sein. Der ist nämlich zu weit weg.
Neuer Tag, neues Glück – Dienstag, als die Eltern ihr Kinder abholten.
„Heute aber!“, dachte ich mir. Und Miri so: „Oah nee, heute. Heute könnte ich brechen, mir ist so schlecht.“ Nein, nein, nein, es wartete schon noch etwas Arbeit am wirklich letzten Tag in der Schule!
Unsere Tagesaufgabe war es nämlich, Mandazizutaten für die ersten Wochen im neuen Schuljahr einzukaufen.
Mit anderen Worten, irgendwann gegen 10 Uhr trudelten Miri und ich mit einem schwer beladenen Tuktuk (ich spreche hier von wirklich schwer beladen, aufgrund der 44kg Mehl,6kg Zucker, 2kg Salz, 20 Liter Öl und Feuerholz für 600 Keniashilling) in der Schule ein. Wir schafften es gerade noch so die Sachen im Workshop zu verstauen, als Miri abtrat. Kann man das so nennen? Naja, ihr wisst ja, was ich meine. Ihre Befürchtung vom Morgen bestätigte sich - mehrere Male.
Ich musste dann ins Office und mit unserem Koordinator Ibrahim und der Sekretärin Vivien einige Sachen besprechen, zum Schulleiter und hier und da noch kleine Small Talks führen. Als ich dann Miri eingesammelt hatte und wir das Gebäude verließen… Waren die meisten Kinder schon abgeholt…
Tadaaa…
Aber so ist das Leben, es ist ein stilles Kommen und Gehen. Deswegen sollte man auch jeden Tag genießen, als wäre es sein letzter. Plötzlich ist es nämlich dein letzter Tag und du merkst es gar nicht, weil es eben kein Feuerwerk und kein Ständchen gibt.
So endet die Geschichte von uns und der Lutheran Church Special School in Kisumu.

Wenn ihr mich fragen würdet, ob ich traurig darüber sei, würde ich zögern, letztlich aber mit „nein“ antworten.
Am blödesten ist eigentlich, dass wir den Kindern nicht richtig tschüss sagen konnten. Aber wisst ihr, da muss ich ganz ehrlich sein. Unsere Kinder sind nicht gerade die Emotionalsten. Bei den Größeren liegt es sicherlich am Alter, bei den kleineren am Grad der Behinderung, insgesamt weil sie es irgendwo schon gewohnt sind, dass „die Weißen“ kommen und wieder gehen (vor allem weil wir auf oft Kurzzeitfreiwillige und andere „weiße“ Besucher haben). So entstand nie eine wirklich krasse Bindung zwischen uns. Versteht mich nicht falsch, ich liebe jeden einzelnen dieser Knilche. Und ich weiß, dass sie uns auch lieb haben.
Aber – und das ist auch eine Sache, die ich hier lernen durfte – es ist eher nach dem Motto: Ich freue mich unheimlich, wenn du da bist, aber wenn du nicht da bist, komme ich auch zurecht.
Von daher fiel der Abschied auch nicht so schwer, wie erwartet. Was unter den gegebenen Umständen nicht wirklich von Nachteil war.
Irgendwie tut es mir leid, dass ich euch nichts „Schöneres“ über diese beiden Tage schreiben kann, es gibt ja nicht mal Bilder. Aber wisst ihr, dieses Ende ist auch irgendwie ein schönes Ende.
Es lehrt einen nämlich so viel über das Genießen und Wertschätzen des Moments, der Anwesenheit von Menschen, der Aufmerksamkeit, die man gibt oder bekommt.
Lasst uns das Zusammensein miteinander genießen! Denn ja, es könnte das letzte Mal sein, und nein, es wird keine feierliche Blaskapelle vorbeikommen, die uns darüber informiert.

Aber keine Angst, so verabschiede ich mich jetzt nicht von euch. :-)
Die schöne Nachricht: Victors Eltern haben Miri und mich für morgen zu sich nach Hause eingeladen. Das heißt von ihm werde ich mich noch richtig verabschieden können. Zum Glück, ich glaube, sonst hätte ich Dienstag doch noch „Rotz und Wasser" geheult.
Zweite gute Nachricht, Miri und ich sind beide wieder gesund.
Dritte gute Nachricht, die Lehrer wollen für uns noch eine Abschiedsfeier in der Schule organisieren (oh je, vielleicht doch eine Blaskapelle).
Vierte gute Nachricht, ich wurde letzte Woche für die Universität Rostock zugelassen.
Und fünfte gute Nachricht, jetzt warten noch 3 Wochen Kenia auf uns und die werden wir uns nicht versemmeln lassen, sondern geniiieeeßen!
Ach, und sechste gute Nachricht, ob ihr es glaubt oder nicht, ein Blogeintrag kommt auf jeden Fall noch. ;-)
Und deswegen sage ich euch jetzt noch nicht tschüss, sondern bis zum nächsten Mal!
Passt auf euch auf!

Eure Luisa

Sonntag, 10. Mai 2015

Henriette allein zu Haus


Allein gelassen haben wir sie. Für 10 Tage. Nein, stolz sind wir darauf nicht. Aber es musste einfach sein. Anbetracht dessen, dass es unsere letzten großen Ferien waren, bevor unser Freiwilligendienst vorbei ist, und wir unbedingt noch einmal auf Reisen gehen wollten, mussten wir diesen Schritt gehen. Und so ließen wir Henriette alleine zurück. Wir konnten ihr nicht mal sagen wie lange wir weg bleiben würden oder wohin genau es hingehen soll. Wir wussten nur, dass es Uganda sein wird und unser erstes Ziel dort war die Stadt Jinja…





Stellt euch mal vor, euch fragt jemand wo ihr wohnt und ihr könntet sagen: „An der Quelle des Nils.“
Das hat doch was, oder? Genau das können unsere Mitfreiwilligen Paula und Rike aus Jinja, bei denen wir uns für die Zeit dort einquartierten. Ihre Wohnung ist tatsächlich nur 2 Gehminuten von der Nilquelle entfernt und es war schon ein mächtiges Gefühl am ersten Morgen unserer Reise dort den Tag zu begrüßen.
Okay, man stellt sich das bestimmt mächtiger vor, als es in Wahrheit ist, aber es war trotzdem irgendwie aufregend. Da wir nun aber nicht stundenlang rumwundernd am Nil stehen wollten, machten wir uns auf den Weg in die Innenstadt. Zu dieser Uhrzeit war alles noch sehr ruhig und da wir im Urlaub waren, und somit keine Eile hatten, gönnten Miri und ich uns einen Kaffee in einem kleinen Café an der Straße.
Die Leute zogen gemütlich an uns vorbei, aber niemand schaute uns wegen unserer Hautfarbe schräg an, geschweige denn sagte etwas. Ein sehr angenehmes Gefühl! Auch beim anschließenden durch die Straße bummeln, konnten wir wirklich mal bummeln. Da Jinja eine relativ große Stadt ist und wir uns im Zentrum befanden, schienen weiße Menschen nichts Seltenes zu sein. Ich meine, ist es in Kisumu auch nicht, aber dennoch haben wir das Gefühl manche reagieren hier anders auf „uns“.
Am Ende der langen Hauptstraße packte uns dann die Abenteuerlust und wir fragten einen Piki-Piki-Fahrer, ob wir nicht mal mit seinem ein paar Runden drehen könnten. Nach ein paar Minuten der Verhandlung, brachte er uns tatsächlich zu einer unbefahrenen Nebenstraße, wo wir uns ausprobieren durften. Ja tja, was soll ich euch sagen, ich bin ganz schön klein. Für das nächste Mal weiß ich, dass ich Stützräder mitnehmen muss... Bei mir ist der Mann lieber hinten mitgefahren, weil ich mit den Füßen nicht annähernd den Boden berührte und das Piki nicht hätte anheben können, wäre was passiert.
Abgesehen davon, dass Miri ein paar Schwierigkeiten mit dem Anfahren hatte, konnte sie hingegen gut alleine los düsen. Das hat riesig Spaß gemacht, aber ich glaube ich bevorzuge dennoch mein kleines, rotes Fahrrad, das bestimmt schon sehnsüchtig zu Hause auf mich wartet.
Und nein, da sind keine Stützräder mehr dran.


Zurück in der Stadt machten wir uns auf den Weg zur neuen Markthalle Jinjas, um Zutaten für das Abendessen zu holen. In Kisumu gehen wir vor allem auf „Freiluftmärkte“ mit unzähligen Holzständen in verschiedenen Größen und auf dem Boden liegenden Planen, wo die Waren angeboten werden. In Jinja ist das alles in einer riesigen, zweistöckigen und super strukturierten Markthalle anzufinden. Es gab dort verschiedene Abteile, z.B. für Gemüse, Fisch, Kleidung, Hülsenfrüchte, Schneiderein, eine Cafeteria mit Lieferservice… Es hat mich schon ein bisschen an Ikea erinnert. Haben nur noch die schwedischen Hackbällchen gefehlt. Und die Möbel. Aber das waren wohl die einzigen Dinge, die man dort nicht bekommen konnte.
Beeindruckt von der Größe verschafften wir uns einen Überblick und kauften anschließend verschiedenste Arten von Mboga (dt.: „Gemüse“). Dabei ist es ist kein Gemüse, wie wir es kennen. Sondern es sind Pflanzen, deren Blätter man essen kann. So wie Spinat, den wir übrigens auch dabei hatten. Glaube ich.

Hier ein kleiner Einblick in die Stadt Jinja:
Nilquelle

Gerüstbau - wackelige Angelegenheit

Läden von weiter weg


Und so sieht's von Nahem aus

Und auch so...

Am nächsten Morgen machten wir uns für einen Tagesausflug sehr früh auf die Socken. Unser Ziel waren die 4 Stunden entfernten „Sipi Falls“, drei wunderschöne Wasserfälle. Aus den 4 Stunden wurden allerdings 7. Die öffentlichen Verkehrsmittel, also Matatus und Autos, fahren wirklich erst los, wenn sie richtig voll sind. Und so fuhren wir das letzte Stück zum Dorf Sipi in einem sieben-Personen-Auto zu elft (3 vorne, 4 hinten und 4 ganz hinten) und das voll zu kriegen hat echt lange gedauert. Gegen 14 Uhr erreichten wir dann aber endlich unser Ziel und wurden an einem schicken Hotel im Grünen rausgelassen.
Da die Sipi Falls mittlerweile schon ein richtiges Touristending sind, nahm uns gleich ein großgewachsener und nett aussehender Guide, namens Juma (dt.: Tag) in Empfang. Er sprach ein außergewöhnlich gutes Englisch und nach einer kurzen Absprache ging unsere Tour einige Minuten später auch schon los.

1. Wasserfall...





Bis zum ersten Wasserfall mussten wir nicht lange laufen. Es ging steil bergauf, ein paar Kurven und dann blieb uns die Luft weg. Wir befanden uns nämlich genau hinter ihm in einer Höhle. Wie im Bilderbuch sage ich euch. Vor uns fielen die riesigen Wassermengen in ein flaches Becken und auf einen gewaltigen Stein, was unheimlich laute Geräusche machte und ganz feine Wassertropfen flogen durch die Luft.. Wir zogen die Kapuzen unserer Regenjacken über den Kopf und balancierten über kleinere Steine auf die andere Seite, sodass wir den Wasserfall von vorne sehen konnten. Es war atemberaubend! Das Auge kann wirklich jeden einzelnen Tropfen sehen, der da runter kam. Miri und ich standen da, mit offenem Mund, und nach fünf Minuten brach Juma das Schweigen und sagte: „Leute, das ist erst der Anfang!“.
...mit Höhle

















Cameleon gefunden!

Um zum zweiten Wasserfall zu gelangen, mussten wir noch weiter bergauf und durch unzählige Bananen- und Kaffeeplantagen laufen. Der Boden auf dem wir gingen war rot und rutschig vom Regen, der ab und zu einsetzte. Miri hat es dann auch gleich entschärft und ist ausgerutscht. Ich erwähne das, weil ich so stolz war bis dahin sauber geblieben zu sein. Allerdings trat sie beim Hinfallen nach hinten aus und auf meinem Oberschenkel prangte daraufhin ein knallroter Fußabdruck.  :-)

Als wir ankamen, regnete es nicht, allerdings war aus der Ferne ein Gewitter zu hören. Das Becken, in dem der 95m tiefe Wasserfall landete, wurde von großen Felsen bedeckt.
Allerdings führte ein kleiner Weg zwischen zwei von ihnen hindurch, den ich gleich ausprobierte.  Die Felswände und der Boden waren nass von den Wassertropfen, die der Wind durch die Luft trug. Und dann, was sich mir plötzlich darbot, als ich zwischen den beiden Felsen stand, war noch viel beeindruckender, als beim Ersten. Das felsige Wasserbecken lag unter mir und das Wasser stürzte nur so hinein. Überhaupt, von wie weit oben das Wasser kam! Und bei jeder Windböe wehten die Tropfen in mein Gesicht. Es war das gleiche Sprühregengefühl, wie in Deutschland, wenn ich bei Regen mit dem Fahrrad völlig abgehetzt zur Musikschule fuhr. Ich habe es so vermisst!
2. Wasserfall

Als Miri kam, konnten wir uns kaum unterhalten, weil das Rauschen so ohrenbetäubend war. Aber diese ganze Szenerie… Und das Adrenalin durch die Angst abzurutschen und in diesen gewaltigen Natur-Whirlpool zu fallen… Eigentlich unbeschreiblich! Die Krönung war dann allerdings der Regenbogen, der uns beim Gehen verabschiedete. Komisch war nur, dass beim Vorlaufen der Regen nicht aufhörte und es dauerte einige Momente bis wir rafften, dass das Gewitter uns nun erreicht hatte und wir die ganze Zeit doppelt betropft wurden.
Am Rand stand Juma wartend unter einem Bananenbaum und wir rannten zu ihm. Nachdem Miri und ich uns darüber beömmelt hatten, wie schön das gerade war, fragte er uns plötzlich, ob wir ein Messer dabei hätten. Wir wussten nicht ganz, was er mit einem Messer unter einem Bananenbaum bei Starkregen vorhatte, aber Miri gab ihm ihr Taschenmesser einfach mal. Kaum in der Hand, rannte er auch schon los auf die gegenüberliegende Seite und machte sich an einem anderen Bananenbaum zu schaffen. Er winkte uns zu sich herüber und fragte: „Wollt ihr auch ein Bananenblatt? Das sind die perfekten Regenschirme!“.

Naja, und so standen wir da also eine halbe Stunde unter unseren Bananenblättern, irgendwo im Nirgendwo und aßen Kekse.
Das Gewitter hörte und hörte aber nicht auf und so beschlossen wir trotzdem uns auf den Weg zum dritten Wasserfall zu machen. Mittlerweile stand das Wasser auf dem Boden und wir rutschten mit den riesigen Bananenblättern in den Händen regelmäßig aus. Ihr wollt nicht wissen, wie eingesaut wir waren. Meine Mama hätte die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen. So wie meine Tante einmal, als meine Cousinen und deren Nachbarskindern sich gegenseitig mit Lehm beworfen haben. UND WIR WASCHEN MIT DER HAND! :D Aber es war alles egal, so aufregend habe ich ein Gewitter noch nie verbracht und werde ich bestimmt auch nicht mehr. Ich meine, das ist wirklich schwer zu toppen. :D



Miri und Juma am 3.Wasserfall

Irgendwann kamen wir wieder an der Straße heraus, die wir vorher mit unserem Quetschauto entlang fuhren und liefen zu einem Aussichtspunkt. Von dort aus hatte man den perfekten Blick auf den dritten und mit 100 Metern den tiefsten Wasserfall. Es war als teile er den Berg, auf dem wir standen, in zwei Hälften, denn das Wasser floss durch einen riesigen, immer breiter werdenden Spalt hinab ins Tal.

Für dieses Abenteuer hatte sich der Fahrzeitaufwand wirklich gelohnt und wir fielen um 1 Uhr nachts nach unserer Ankunft in Jinja erschöpft aber glücklich (und wieder sauber) ins Bett.



Einige Stunden Schlaf später ging unsere Reise weiter. Mit dem Matatu in die Hauptstadt Kampala, von dort nach Entebbe und dann mit der Fähre zu den im Victoriasee liegenden Sseese Islands.
Da wir nichts gebucht hatten, liefen wir einfach mit einer Hotelangestellten mit, die eigentlich andere Besucher von der Fähre abholen wollte. Wir haben ja gelernt spontan zu sein. Und das war auch sehr gut so. Der Hotelmanager kommt nämlich ursprünglich aus Kenia und kennt einen unserer Freunde. Also hatten wir ihn auf unserer Seite. 


Mit eigenem Strandzugang
Und dann geschah noch etwas Wunderbares. Zuerst fanden wir uns in einem 3-Bett-Zimmer wieder mit einer kleinen Terrasse auf der vom See abgewandten Seite. Weil aber eine Reisegruppe kam und sie unser Zimmer benötigten, wurden wir in ein anderes gesteckt. In ein Riesiges! Mit einem riesigen Bad! Und von unserem riesigen Bett aus hatten wir Panoramablick auf den direkt vor uns liegenden Victoriasee mit Sandstrand! Und eine große Terrasse! Und das alles zum gleichen Preis, wie das Zimmer vorher. Glückspilze!
Der aber wohl komischste Zusatz zum Zimmer war ein Hund. Den gab’s auch gratis. Und die kleine Susi (so hieß auch der Hund von meinem Onkel Otto, mit dem ich als Kind Gassi gehen durfte) folgte uns auf Schritt und Tritt. Wir liefen mit ihr 3km ins Dorf und wieder zurück. Einen Morgen habe ich sogar einen Strandspaziergang gemacht.

Kürbiskernbrot
Miri, Susi und ich, wir waren eine kleine Familie und ließen es uns gemeinsam drei Tage richtig gut gehen. Also, wirklich jetzt, denn wir haben nichts Großartiges unternommen. Sondern uns mit Kleinigkeiten den Tag versüßt. Frühstück gab es im Bett (mit Taschenmesser, Kürbiskernbrot (siehe Bild), Tomaten, Bananen und Wasser) und sonst waren wir im See baden, haben uns gesonnt, sind spazieren gegangen… So richtig Urlaub eben.




Bis auf unsere Quadtour, die war Adrenalin pur. Unser Guide führte uns durch riesige Ölpalmengärten, bergauf und ab, am Seeufer entlang, durch eine Örtlichkeit und zu einem hochgelegenen Aussichtspunkt, von wo man auf den See hinabblicken konnte. Ich fand es erst gar nicht so einfach dieses Gefährt zu lenken, weil es relativ schwer geht. Aber irgendwann hatte ich dann auch den Bogen raus.














Aber das Schönste unseres Aufenthalts dort war definitiv unser Abendbrot auf dem Bootsteg des Hotels. Warum, das erklärt das Bild denke ich ganz gut…








Hier ein paar Bilder von der Fahrt von Kampala nach Kigali:

Großhornkühe!

Kochbananentransporter

Kleiner Snack für unterwegs gefällig?













Verkauf der Kochbananen








 Eigentlich war ja der Plan ausschließlich durch Uganda zu reisen. Allerdings machte uns der Film „Hotel Ruanda“ neugierig auf dieses Ostafrikanische Land und vor allem auf die Hauptstadt Kigali, von der wir schon viel gehört hatten.
Straßenbild der Innenstadt Kigalis
Blick vom 4-spurigen Highway auf die umliegenden Stadtviertel
Also Spontanausflug nach Ruanda! Genau wie Uganda hat Ruanda eine sattgrüne Natur und ist zudem sehr hügelig. Und stellt euch vor, auf einmal war wieder Rechtsverkehr angesagt und alle sprachen französisch! Gleich am ersten Tag machten wir uns auf den Weg in die Innenstadt. Es fällt mir ehrlich gesagt schwer Kigali treffend zu beschreiben, da es so kontrastreich ist! Die City ist sehr gut ausgebaut, das Verkehrssystem funktioniert einwandfrei, die Gebäude sind modern, alle Pikifahrer halten sich an die Helmpflicht und haben sogar einen für den Mitfahrer bei und die Grünanlagen sind unheimlich gepflegt. Mir schien es die am meisten entwickelte City Ostafrikas zu sein. Aus dem 14.Stock konnten wir allerdings sehen, dass die Gebiete um die Innenstadt herum  aus Häusern bestehen, die zum überwiegenden Teil einfach gebaut sind und einige Flächen waren sogar noch unbebaut. Wir standen also in einem Stadtkern, der sich genauso gut im Globalen Norden befinden könnte und gleichzeitig sahen wir außerhalb der City das Bild einer „typisch ostafrikanischen“ Stadt.
Für uns war der wichtigste Punkt unseres Aufenthalts in Kigali der Besuch im „Kigali Genocide Memorial“, ein Museum zum Gedenken an den Völkermord in den 90er Jahren. Damals kam es zu Ausschreitungen zwischen den beiden größten  Ethnien in Ruanda. Daraus entstand der Völkermord an den Tutsi durch die Hutus. Die Einteilung, wer Hutu und wer Tutsi war, wurde von belgischen Kolonialisten vorgenommen.
Es starben 1 Millionen Menschen.
Die Ausstellung beschäftigte sich mit der Entstehung des Konflikts, dem Völkermord an sich, das Verhalten der internationalen Gemeinschaft, mit der Zeit danach, den Waisen und auch anderen Genozide, die die Menschheit prägt (Namibia, Balkan, Holocaust, Armenien, …). Außerhalb des Museumsgebäudes befinden sich die Massengräber und angelegte Gärten, in denen sich der Verlauf der Geschichte widerspiegelt.
Der Besuch dort hat uns sehr aufgewühlt. Am erschütterndsten war für uns die Erkenntnis, dass jede Lebensgeschichte eines jeden erwachsenen Ruanders, von diesem Genozid geprägt ist. Er ist ja erst 20 Jahre her! Und mit diesem Gedanken durch die Straßen laufen… Und nicht nur das. Nach außen ist Ruanda sicherlich ein Land, was vor allem am Präsidenten liegt, der gut auf sein Land achtgibt. Aber die Wunden aus dieser Zeit sind noch nicht verheilt und es gibt immer noch Menschen, die unter den Auswirkungen des Genozids leiden.
Es ist erschreckend zu sehen, wozu Menschen fähig sind. Deshalb möchte ich jeden dazu ermutigen sich bei Gelegenheit noch einmal mit dem Thema auseinander zu setzen!
Am zweiten und auch schon letzten Tag besuchten wir eine Kunstausstellung. Wir haben uns sagen lassen, dass die Künstler- und Kulturszene in Kigali sehr ausgeprägt sein soll. In diesem Atelier, das von 5 Brüdern gegründet wurde,  gab es wirklich tolle Gemälde der Moderne zu bewundern. Und bei einem Tässchen Tee hatten wir die Gelegenheit uns mit dem zweitjüngsten der Brüder auszutauschen.



Nun, leider hat aber bekanntlich alles, bis auf Würste, ein Ende.Deshalb ging es für uns mit dem Nachtbus am selben Tag noch nach Kampala, also Uganda. Dort verbrachten wir den Nachmittag mit tratschen und essen bei unseren Freunden Victoria, Iris und Jonas. Und wiederum mit dem Nachtbus fuhren wir von Kampala nach 10 Tagen Reise zurück nach Kisumu, nach Hause.


Da waren wir wieder. Wir überraschten Henriette mit unserer Rückkehr gegen 3 Uhr nachts. Eigentlich hatten wir uns auf sie gefreut, wollten ihr auch gleich alles erzählen. Aber sie war stinksauer, verkroch sich in ihre Ecke und sagte nicht mal Hallo.
Aber als ich meine letzte saubere Unterwäsche, die ich extra für die Heimkehr dort gelassen habe, anziehen wollte, sah ich, dass sie sich schon gerächt hatte. Das Höschen war nämlich vollgekökelt. Aber ist sie unsere kleine Henriette. Eine richtige Hausmaus eben. :-)


Wir hatten eine wirklich erfüllte Zeit! Ich staune auch jedes Mal, wie einfach und unkompliziert man hier in Ostafrika backpacken kann. Aber das war’s erst einmal mit dem Reisen, denn nun freuen wir uns wieder tierisch auf die nächsten drei Monate mit unseren Kinder in der Schule!

Lasst es euch gut gehen, genießt den Frühling und passt auf euch auf!
Eure Luisa und liebste Grüße auch von Miri!





PS: Wird mal wieder Zeit für eine kleine Luisa-Anekdote...
Um Kigali von oben zu betrachten, wollten wir in den höchsten Stock eines Hochhauses. Wir von daher haben uns so über den Fahrstuhl im Gebäude gefreut! Allerdings nicht mehr, als der Strom ausfiel und wir doch tatsächlich steckengeblieben sind?!
Plötzlich hielt er einfach an und in dem Kasten war absolute Dunkelheit! Dann ging das Licht wieder an und eine monotone Frauenstimme sagte uns immer und immer wieder wir sollen den Notfallknopf drücken, der aber leider nicht funktionierte!
Dann ging das Licht wieder aus und wieder an…
Miri und ich waren so geschockt, dass wir nicht mal geredet haben. Ich meine, kennt ihr diese Filmszenen, wo der Fahrstuhl dann einfach so den Schacht runterfällt? Oder das Überwachungsvideo, wo zwei Menschen stundenlang feststecken und der Mann den übelsten Durchfall bekommt?
Aber zum Glück setzte sich der Fahrstuhl nach einiger Zeit wieder langsam in Bewegung Richtung Erdgeschoss und wir waren endlich frei!

Dienstag, 24. März 2015

Schule macht doch Spaß!

„Und mein Kind, wie war’s heute in der Schule?“. Jaja, wer kennt diese Frage nicht, egal aus welcher Perspektive man sie mittlerweile stellt. Ich konnte diese Frage aus Schülersicht nie wirklich leiden, weil Schule einfach jeden Tag gleich war. Die aufregendsten Momente meiner Schulzeit waren vor den Mathestunden, wenn wir Schüler gerochen haben, dass ein Überraschungstest nahte. In der Pause davor saß dann die gesamte Klasse zusammen und hat sich die sinnlosesten Fragen ausgedacht. Nur um unseren Lehrer abzulenken und zu zeigen, dass wir doch nicht so schlau sind, wie wir sonst immer taten.
Mein jetziger Schulalltag ist allerdings genau das Gegenteil. Jeder Tag ist anders, andauernd geschehen unerwartete Dinge und die Kinder halten Miri und mich immer auf Trab, sodass die Zeit unheimlich schnell vergeht.           Nach unserem Zwischenseminar, das im Januar in Daressalam stattfand, kehrten Miri und ich hochmotiviert und voller Ideen zurück und konnten es kaum erwarten mit neuen Projekten durchzustarten. Einige haben wir schon durchgeführt bzw. begonnen und von denen möchte ich euch jetzt ein bisschen was erzählen.


Das KARIBU-Projekt

„Karibu“ ist eins der ersten Wörter, das man auf Suaheli lernt, wenn man nach Kenia kommt. Es heißt nämlich „Willkommen“ und wird als Antwort auf „Danke“ benutzt, wenn man jemandem etwas anbietet und überhaupt heißen uns die Menschen auf der Straße mit „Karibu Kenya“ nach wie vor gerne in ihrem Land willkommen.
Miri und ich hatten die Idee auch die Schüler, Lehrer und Gäste unserer Schule willkommen zu heißen und gestalteten dafür ein Stück Wand der Assembly Hall um. In der Assembly Hall ist jeden Tag die Morgenrunde mit der gesamten Schülerschaft und dort finden auch die Elternversammlungen und Vorträge/Workshops statt.
Wir bereiteten also die 6 Buchstaben auf Karton vor, schnitten sie aus und gaben sie dann in die Klassen rein, wo die Kinder die Buchstaben nach Lust und Laune gestalten konnten. Wir waren total erstaunt, was für Kunstwerke wir zurückbekamen. Jeder Buchstabe ist einzigartig und die Kinder, das sagten uns die Lehrer, hatten viel Spaß beim Bemalen.
Einige Tage später strichen Miri, ihr Freund Marvin und einige der größeren Schüler die Stelle in der Assembly Hall, wo wir das Wort anbringen wollten. Ich konnte leider nicht dabei sein, weil ich den Tag in unserer schnuckeligen Einwanderungsbehörde verschnabelte. Wie auch immer, Miri und ich nagelten die Buchstaben am nächsten Tag an und das Ergebnis ist einfach so fröhlich und bunt, dass es nun richtig Spaß  macht in die Assembly Hall zu gehen.  Von den Lehrern haben wir leider kein Feedback bekommen, aber den Kindern gefällt es und das ist ja die Hauptsache.


Kartoffelstempel

Ich habe festgestellt, dass ich doch noch gar nicht so alt bin. Wisst ihr warum? Ich konnte mich daran erinnern, was im Kindergarten neben „Mutter-Vater-Kind“ spielen und Würmer sammeln meine Lieblingsbeschäftigung war: mit Kartoffeln stempeln.
Diesen Versuch wagten wir mit den Schülern aus dem Haushaltsworkshop. Miri und ich schnitzten Formen in die Kartoffelhälften und dann ging das fröhliche Stempeln los.
Erst mussten wir unseren Mädels helfen, aber dann hatten sie schnell raus, wie man die Farbe aufträgt und dann die Kartoffel auf das Papier drückt.
Witzig war nur, dass sie es viel interessanter fanden die Unterlage zu stempeln, als das eigentliche Bild. Jetzt haben wir eine wunderschöne Unterlage haben und sparsam gestempelte Bilder. Das war eine Aktion, die wir definitiv noch einmal wiederholen möchten, weil es riesigen Spaß gemacht hat.
Auch wenn das Hände schrubben danach anstrengend war, weil wir den Außenlack vom Schaukel streichen als Farbe genommen haben.
Doch mit Geduld und Spucke… Na, ihr wisst schon. J



Mein Freund Victor

Von meinem Freund Victor habe ich gaaaanz zum Anfang schon einmal berichtet. Das ist der Schüler, dem ich täglich die Zähne purzel, wie meine Mama jetzt sagen würde. Nun, unser Verhältnis hat sich so gefestigt, dass ich mittlerweile eine Bezugsperson für ihn geworden bin und er ist eben mein Sonnenschein. Wenn ich mal genervt bin oder wegen der Wärme vor mich hin oxidiere, kommt Victor, lächelt mich an und das Leben kann weiter gehen.
Neben dem Zähne putzen, füttere ich ihn seit einigen Monaten in den Tee- und Mittagspausen. Dabei ist mir aufgefallen, dass, während die anderen Kinder wenigstens etwas Abwechslung in ihrem Speiseplan haben, er jeden Tag zum Mittag gematschten Ugali (fester Maisbrei) mit Milch bekommt. Jeden Tag. Ich kann natürlich verstehen, dass unsere Köche bei 80 Kindern für Victor nicht noch etwas Spezielles kochen können. Er ist auch der Einzige, der das normale Essen aufgrund seiner Behinderung nicht mitessen kann. Deswegen habe ich mir vorgenommen, einmal in der Woche für ihn ein Essen zuzubereiten. Ich stelle mir da so typisches Weisheitszahn-OP-Essen vor: Kartoffel-Erbsen-Püree, oder mit Karotten, Brokkoli, vielleicht sogar ein leichtes Rührei… Mal sehen was die Google-Mitarbeiter noch so für Breiideen haben. Ich hatte deshalb auch schon ein Gespräch mit seinem Vater, der sehr positiv auf meinen Vorschlag reagiert hat. Ihr müsst wissen, Victor kommt aus einer sehr guten Familie und hat trotz seiner Schwierigkeiten eine sehr gute Erziehung genossen. Vielleicht mag ich ihn deshalb so sehr – weil er ein tollpatschiger Gentleman ist. J
Morgen Abend werde ich das erste Mal etwas kochen und es dann am Mittwoch in der Schule aufwärmen. Ob es ihm gefällt, werde ich euch dann beim nächsten Mal erzählen. Ich bin schon auf seine Reaktion gespannt.


Beauty-Stunde

Stellt euch mal vor – 4kg Nagellack erreichten uns durch eine Sammelaktion einer Bekannten von Miri aus Deutschland. Was stellt man nur mit 4kg Nagellack an? Richtig, man eröffnet einen Beauty-Club. Jeden Donnerstag ist nämlich Club Day und da dachten wir uns, dass wir vor allem die Mädchen mit unserer Beauty-Stunde mal etwas verwöhnen könnten, indem wir ihnen die Fingernägel machen.
Das Ganze läuft so ab: Die Kinder waschen und schrubben sich gründlich die Hände, bei Bedarf schneiden wir erst die Fingernägel und tragen dann den Nagellack auf. Ende vom Lied: Wir lackieren beinahe mehr Jungen als Mädchen die Nägel. Aber die Kinder, lieben es! Sie fangen sogar schon an mehrere Farben zu kombinieren und ein besonderes Highlight ist es auch, wenn wir ihnen etwas Lipgloss auftragen. Auf einmal laufen dann 20 Diven auf dem Schulgelände herum und machen sich gegenseitig alle 2 Minuten auf ihren neuen Nagellack aufmerksam. Es ist so schön mit anzusehen, denn so kann man auch mit kleinen Dingen, Kindern große Freude bringen.



Die Mülldeponie

Gleich vorweg: Das ist momentan unser größtes und schwierigstes Projekt, dessen Ende wir wohl nicht mehr miterleben werden.
Direkt gegenüber von unserer Schule ist eine riesige riesige Mülldeponie. Und wie ich schon mal erzählt hatte, wird der Müll hier in Kisumu meistens nicht abgeholt und sortiert, geschweige denn recycelt, sondern einfach verbrannt.
Könnt ihr euch annähernd ausmalen wie schlimm es auf unserem Schulgelände ist, wenn der Wind blöd steht? Der ganze Rauch, der Gestank, alles zieht zu uns rüber und ungelogen, manchmal kann man das andere Ende des Grundstücks nicht mehr erkennen.
Wie giftig diese Luft für uns ist, muss ich wohl nicht erwähnen. Dann gibt es noch ein Haufen weitere Probleme: Unzählige Fliegen und andere kleine Ungezieferhaben sich eingenistet, die Schadstoffe sickern bei Regen durch den Boden und gelangen so in den Lake Victoria, der Wind weht den leichten Müll zu uns rüber und das Grundstück ist verschmutzt und unter den Bäumen am Eingangstor „chillen“ manchmal einige der Straßenjungs, die auf der Deponie arbeiten. Kurz gesagt: Es ist ein ernsthaftes Problem.
Miri und ich wollten einfach mal schauen, was sich über diesen Ort in Erfahrung bringen lässt und was man dagegen sogar tun könnte. Über die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Daressalam gerieten wir an die Organisation „Green and Clean Cities“ (dt.: Grüne und saubere Städte). Wir lernten das Ehepaar Grace und Peter kennen, die uns sofort ernst nahmen und das Problem anpackten. Daraufhin hatten wir ein Treffen mit dem Umweltminister für Kisumu County, der uns versicherte, dass der Müllberg seit einiger Zeit verlagert werde und dieser Prozess bis zum Frühjahr 2016 abgeschlossen sein würde. (Konjunktiv 2, denn dieser Müllberg wächst einfach nur, anstatt zu schrumpfen)
Selbst wenn das stimmen sollte, haben wir uns als Ziel gesetzt, alles dafür zu tun, diesen Prozess zu beschleunigen. Letzte Woche sind Miri, Marvin und ich mit Grace und Peter die umliegenden Institutionen und Einrichtungen (eine Schule, die zur Schule gehörende Lutherkirche, ein Hotel, eine riesige Shopping Mall und die University of Nairobi) abgelaufen, um in Erfahrung zu bringen, ob sie auch betroffen sind und ob sie uns ihre Unterschrift bei einer entsprechenden Petition gäben. Nun ja, alle sind betroffen, alle leiden und alle haben uns ihre Unterstützung zugesagt. Als nächstes werden wir Briefe und eine Petition vorbereiten und dann dem Ministerium für Umwelt Feuer unter dem Hintern machen.
Es ist allerdings auch ein Dilemma: Wir sprechen nur von einer „Relocation“, also einer Verlagerung der Mülldeponie. Für uns könnte sie verschwinden, woanders allerdings wieder auftauchen. Momentan mag dieser Ort noch relativ schwach besiedelt sein, allerdings wird er bei dem rasanten Städtewachstum in 10 Jahren vielleicht genauso bewohnt sein, wie der bei uns an der Schule. Und dann stehen wieder Menschen vor genau dem gleichen Problem, wie wir jetzt. Also, wie sinnvoll und nachhaltig sind unsere Bemühungen und das Projekt überhaupt? Auf der anderen Seite leiden unsere Kinder Tag für Tag… Wir stecken in einer Zwickmühle und ein Richtig oder Falsch scheint es mal wieder nicht zu geben. Falls jemand von euch eine Idee hat… Immer her damit. :-D



Weitere schöne Sachen

Es gibt natürlich auch Projekte, die Alltag geworden sind, wenn ich da zum Beispiel an unser Mandazikochen denke, oder die Früchtetage, die wir zweimal wöchentlich durchführen. Dann schaukeln wir mit den Kindern in jeder Pause fleißig und versuchen einigen Schülern Mensch-ärger-dich-nicht und UNO beizubringen. Schön wäre am Ende des Jahres einen kleinen Wettbewerb zu veranstalten und mit den Besten etwas Kleines zu unternehmen. Allerdings sind wir davon noch Meilen weit entfernt.
Soviel also zum Thema Schule… Ich hoffe es ist mir gelungen euch einen kleinen Einblick in unseren Projekt-Alltag zu geben. Aber Schule ist ja nicht alles, wir haben ja auch noch ein Privatleben, welches ich euch ungern vorenthalten möchte.
Vielleicht treffe ich mit meiner folgenden Aussage bei euch auf Unverständnis, aber es ist hier einfach viel zu heiß. Es hat seit Monaten nicht geregnet, obwohl die Regenzeit normalerweise im März beginnt. Wenn man durch das Land fährt sieht man Waldbrände, orkanartige Böen, wir könnten unsere Wohnung alle zwei Tage putzen, weil es so staubig ist, und und und… Gibt uns bitte etwas von dem deutschen Wetter ab! Wir zarte europäische Blümchen gehen ein! :-D Nein, Spaß bei Seite, Sonnabend war zum Beispiel wieder so ein Tag, wo uns Julius, kein Wasser bringen konnte, weil einfach keins da war. Stellt euch das mal in Deutschland vor – unangekündigt Wasserausfall. Ich hoffe, dass das so schnell nicht wieder geschieht, sonst ist der Kulturschock für meine beste Freundin vorprogrammiert.
Ich bekomme nämlich gleich Besuch von meiner Jasmin! (Was für eine Überleitung :-D)
Ich freue mich schon riesig sie und somit ein Stück Zuhause wiederzusehen.
Auch Miris Freund Marvin ist gerade zu Besuch und bleibt für einen ganzen Monat hier. Mit anderen Worten, wir wohnen seit zwei Wochen zu dritt in unserer kleinen Wohnung und ab nachher zu viert. Das wird ein Gewusel, aber ein Schönes. Hoffentlich mit Wasser. Und noch hoffentlicher mit Regenwasser. J
Trotz all den Geschehnissen, die mich hier mit beiden Beinen im Leben stehen lassen, muss ich offen zugeben, dass ich mich auch wieder auf mein altes Leben freue. Wisst ihr, ich habe das Gefühl die jetzige Zeit (vor allem nach dem Zwischenseminar, bei dem wir noch einmal in die richtige Richtung geschubst wurden) ist wohl die „persönlichkeitsformendste“ Zeit, die ich hier in Kenia erleben werde. Ich fühle mich, als wäre ich Schülerin in einer Art Lebensschule und würde jeden Tag mehr und mehr lernen. Aber langsam möchte ich anfangen das Erlernte anzuwenden, und zwar zurück in meinem anderen, „richtigen“ Leben. Klar, das ist hier auch mein richtiges Leben. Allerdings unter anderen Umständen und nur auf begrenzte Zeit.
Dennoch genieße ich natürlich meinen Aufenthalt hier in vollen Zügen. Ich wollte aber nur mal erwähnen, dass ich mich durchaus auch schon wieder auf euch, die Heimat und vor allem den neuen Lebensabschnitt „Studium“ freue. J

So. Das war das Wort zum Montagmorgen. Ich hoffe, ich konnte diejenigen beruhigen, die sich schon Sorgen gemacht haben, weil ich lange nicht mehr geschrieben habe. Auf den nächsten Blogeintrag lasse ich euch nicht so ewig warten, das ist versprochen.

Macht‘s gut, bis bald, auf Wiederseh‘n. (Ich muss jetzt mal zum Obstmann geh‘n.)
(Jasmin bekommt nämlich gleich als „Karibu“ einen riesigen Obstsalat aufgetischt. J )


Eure Luisa