Sonntag, 14. Dezember 2014

Kwa matatu kwenda… Überall  - Teil 1
Mit dem Matatu nach…  Na, ihr wisst schon, überall eben J

„Backpacken durch Kenia? Zwei kleine, weiße Mädchen? Und was ist, wenn wir unsere Rucksäcke verlieren? Oder wir mal keinen Schlafplatz finden? Oder wir verloren gehen? Miri, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.“ „Luisa, wie willst du denn bitte verloren gehen? Gib dir einen Ruck, das wird super!“
So oder so ähnlich beschlossen Miri und ich, wie wir in unsere 1 ½ Monate Sommerferien starteten – mit einer Backpackertour durch den südlichen Teil Kenias.
Am Sonntagmorgen (gegen 12 Uhr, der Abend zuvor war etwas länger) packten wir dann also unsere sieben Sachen, stellten überall Grundordnung her und schlossen schweren Herzens hinter uns die Haustür. Ein eigenartiges Gefühl. Man verlässt etwas Fremdes, was aber sein Zuhause geworden ist, um wiederum in die Fremde zu ziehen. Ohne genaueren Plan, ohne Zeiteinschränkung, nur mit einer nie gefühlten Freiheit und dem Gedanken, wo man diese Nacht wohl schlafen wird, im Gepäck.
Und so begann unser Abenteuer im Abenteuer…




Kericho

Na gut, ein bisschen haben wir schon geplant, sonst wäre ich nicht ich. Wir wussten jedoch nur, dass wir am Sonntagabend in Nakuru sein mussten, weil wir dort über das Internet (!) ein Zimmer gebucht hatten. Damit war wenigstens die erste Nacht in Sack und Tüten.
Unser erster Stopp war jedoch die kleine Stadt Kericho, bekannt für den enormen Anbau von Tee. 60% des Tees, der aus Kenia exportiert wird, kommt aus Kericho. Und Stellt euch mal vor, Kenia ist der drittgrößte Teeexporteur der Welt! Unser Wunsch war es die Plantagen zu sehen und natürlich auch einmal den Tässchen zu probieren. Wir kennen nur diesen afrikanischen Schwarztee mit Milch aus der Schule, der bis ins Unendliche gesüßt ist. Ernüchterung, an Sonntagen keine Führungen durch die Plantagen, Tee gibt es nur im örtlichen „Tea Hotel“ und jetzt ratet mal, was das für ein Tee war… Richtig, afrikanischer Schwarztee mit Milch. Aber wenigstens stand die Dose Zucker noch daneben.

Einen kleinen Willkommensgruß für unsere Reise gab es allerdings doch im Tea Hotel in Form eines wunderschönen Flügels aus Stuttgart (Miri kommt aus der Nähe von Stuttgart). Ich hätte vor Freude weinen können, musste dann auch sofort spielen. Außerdem lernten wir Evelyn, eine Frau mittleren Alters, kennen, die sich fröhlich schnatternd zu uns setzte und uns von ihrem Leben erzählte. Irgendwann kam dann auch noch eine junge Freundin von ihr und so hatten wir unsere ersten Urlaubsbekanntschaften schon gesammelt. 

Der ulkigste Moment der Reise war wohl, als Evelyn ihre Wimperntusche aus der Handtasche zog und sich damit den Haaransatz schwarz pinselte.
Menschen sind doch irgendwie eigenartige Wesen, oder?







Nakuru

Also diese Matatufahrt im Dunkeln von Kericho nach Nakuru hat mich fertig gemacht. Erstmal war es Glück, dass wir überhaupt noch ein Matatu erwischten und dann hatten wir wohl den „krassesten“ Fahrer überhaupt. Ich glaube ja immer noch der war auf Speed. Jedes Mal, wenn uns ein Auto entgegenkam: Fernlicht an, aus, an, Hupe, Fernlicht aus, GANZES LICHT AUS, Hupe, Licht an, anderes Auto weg.   Nach zweieinhalb Stunden Horrorfahrt war er aber so freundlich und hat uns zu unserer Unterkunft gefahren, wir hatten nämlich echt keinen Plan, wo wir hinsollten.
Die Unterkunft, war wohl die gruseligste Abstiege, die wir uns hätten aussuchen können. Aber was erwartet man schon für 6€ die Nacht? Okay okay, also wenigstens eine geschlossene Decke. Ich habe in meinem Leben zu viele Gruselfilme gesehen, als dass ich mit direktem Blick in den Dachboden ruhig schlafen könnte! Da fand ich es halb so schlimm, dass die Badtür nicht zuging, die Wände schimmelig waren und uns Mariah Carrey mit einem anzüglichen Kommentar Tag und Nacht schöne Augen machte.
Am Montag verlängerten wir den Aufenthalt in der Unterkunft und buchten einen Guide für eine Wandertour am nächsten Tag und machten dann die Stadt unsicher. Nakuru ist die viertgrößte Stadt Kenias und war uns auf Anhieb sympathisch. Dort ist es viel großstädtischer als in Kisumu, überall gibt es mit Ständen, Nähtischen und Menschen gefüllte jedoch dreckige Gassen. Aber dennoch sympathisch und irgendwie schön (insofern kenianische Städte schön sein können), sodass man gerne mal das Wort „Muzungu“, so werden Weiße hier genannt, überhörte. Nach einem Sparziergang durch die Innenstadt (und insofern man hier spazieren gehen kann) kam Miri auf die glorreiche Idee in einen der unzähligen Läden zu gehen und die unschönsten Kleider anzuprobieren. Viele Kenianerinnen tragen Kleider, die wir vielleicht nicht unbedingt anziehen würden, um es mal vorsichtig auszudrücken. 1. Wir haben einfach nicht den Körperbau für die Schnitte und 2. Manche Farben sehen zu heller Haut unmöglich aus. Allerdings waren sowohl die Verkäuferin als auch ich absolut von dem Kleid überzeugt, das Miri anprobierte. Vor allem die Farbe passt einfach perfekt zu ihrem Typ! (Achtung Ironie J )



Am nächsten Tag standen wir wirklich mal früh auf, um unsere Wandertour durch den Mengengai Crater zu starten. Unser Guide James hat den Tag vorher noch gefragt: „Wollt ihr die kleine oder die große Runde?“. Wir waren natürlich für die Große. Wisst ihr, ich sehe den Begriff „groß“ immer relativ. Wenn ich manchmal Erwachsene um etwas gebeten hab, kam oft die Antwort: „Aber Luisa, du bist doch schon groß!“. In Wahrheit habe ich die 1,60m-Marke nie geknackt. Und die meisten Suppen isst man nie so heiß, wie sie gekocht werden. Nun ja, unsere Suppe war aber noch ziemlich heiß, weil wir tatsächlich 24km (!) durch diesen 90km² großen Krater gewandert und teilweise auch einfach gelatscht sind.
Das Gefühl, als wir am Kraterrand ankamen und auf dieses gigantische Becken blickten… Ich glaube das ist echte Ehrfurcht vor der Natur, der Schöpfung. Und wir Menschen sind so winzig klein und egal wie sehr wir uns versuchen aufzuspielen und großzumachen, wir werden immer winzig klein bleiben! Wenn wir das doch nur endlich irgendwann mal begreifen würden…

Beim steilen Abstieg in den Krater kamen uns holztragende Kinder entgegen, mit billigen Flip Flops, gefolgt von einigen Ziegen. Und wenn man sich den Beckenrand genau ansah, entdeckte man zwischen Sträuchern und Aloe Vera-Pflanzen überall junge Menschen, die Feuerholz sammelten. Unten angekommen änderte sich die Vegetation schlagartig. Es war nicht mehr üppig grün, sondern steinig, kurzes Gras, kaum Bäume und meine Güte, war das warm! James legte dann auch noch trotz seines Bäuchleins ein ordentliches Tempo vor und nach den ersten zwei Stunden waren Miri und ich etwas erschöpft. Aber auch überwältigt von der Landschaft, dem Gefühl in einem  Krater zu sein und sich in scheinbar unberührter Natur zu befinden. Nur ab und an trafen wir mal auf ein paar Massai-Kühe, die friedlich grasten.



Irgendwann nach gefühlten 24km (wir waren erst beim ersten Viertel) krackselten wir auf schwarze Hügel, die wenig bewachsen waren. Unter unseren Füßen war ganz junge Lava, die bei einem Ausbruch vor 350 Jahren entstanden ist, es aber nicht über den Rand geschafft hat. Es war als fließe das Magma noch, denn die Lava hatte noch immer eine strömende Form, es war unbeschreiblich. Bei jedem Schritt knackte es unter uns, weil dieses leichte und weiche Gestein voller Luftbläschen ist und schnell nachgibt.
James führte uns von den Hügeln aus auf eine Straße im Krater, die von einer chinesischen Firma für alternative Stromgewinnung angelegt worden war. Soviel zum Thema „unberührte Natur“. Von da an begann das Latschen. Es war so warm, irgendwie wehte kein Lüftchen, aber Leute, diese Landschaft!


Alle paar Meter eine komplett neue Vegetation! Und kurz vor dem Aufstieg am anderen Ende des Menengai Crater… Ich habe mich mal wieder wie in „Derr Herr der Ringe“ gefühlt. Es hätte die Originalkulisse sein können und ich habe mir gewünscht, ich wäre noch mal ein Kind, das dort mit seinen Freunden Rollenspiele spielen kann. Sowas wie „Mutter, Vater, Kind“, nur mit Hobbits und Elben. J

Höhlenklettern
Nachdem wir aus dem Krater herauskletterten, besuchten wir noch zwei Höhlen, die damals kenianischen Kriegern vor den Briten als Versteck dienten. Heute sind es religiöse Stätten, wo sich Menschen versammeln, um durch die Natur eine Verbindung durch Gott zu finden. Wir haben irgendwie nur ein gefülltes Bienennest gefunden, was dann nicht mehr gefüllt war, weil die Bienen hinter uns herflogen und unseren lieben James leider in seinen Kopf piekten.
24 Kilometer und jeder Einzelne hat sich gelohnt. Hach ja, schön war‘s!




Naivasha

„Luisa!! Guck doch mal da, am Straßenrand stehen Zebras!“. „WAS?! Oh man Miri, wir sind sowas von in Afrika!“. Miri und ich klebten förmlich an der Autoscheibe im Matatu von Nakuru nach Naivasha. Jetzt war es der Matatufahrer, der gedacht haben muss wir wären auf Speed. Erst als wir ihm erzählten, dass bei uns weder Zebras, noch Giraffen oder sonstige afrikanische Tiere leben, verstand er die Aufregung und sagte: „Dann gibt es also gar keine Tiere in Deutschland?“.
Wir blieben nicht in Naivasha, diese Stadt ist nämlich wirklich nicht schön, sondern fuhren gleich weiter zum Fisherman’s Camp am Lake Naivasha, wo wir ein paar Tage verbringen wollten.
Eine von Miris und meinen Gemeinsamkeiten ist, dass wir zelten lieben! Sie, aufgrund unzähliger Festivalbesuche und ich, aufgrund von Survivaltrainings mit Papa.

Unser Zelt, das wir mieteten, war ca. 10 Meter vom Ufer entfernt aufgebaut und auf halber Distanz befand sich ein Elektrozaun. Ihr fragt euch jetzt bestimmt wozu der gut sein sollte, oder? Ja, das haben wir uns auch gefragt. Bis abends plötzlich zwei riesige fette Flusspferde vor unserem Zelt standen, nur durch den Zaun aufgehalten alles platt zu machen, was wir unser Eigen nennen. Wir konnten sie nachts sogar kauen und ins Wasser rennen hören. Eine Gänsehaut-Erfahrung fürs Leben!
Auch das Wetter in Naivasha hat uns ein aus der Bahn geworfen, es war nämlich ar***kalt! Ich weiß, was ihr jetzt im eklig-kalt-feuchten Deutschland denkt, aber wir haben wirklich gefroren! Und nach drei Monaten mal wieder kalte Hände oder Füße zu haben, da ist doch ein bisschen rumwundern erlaubt, oder? J
Am Donnerstagvormittag liehen Miri und ich uns Mountainbikes aus, um eine Fahrradtour durch das Bilderbuch-Afrika zu machen. Eigentlich hatten wir vor den Hell’s Gate National Park zu beradeln, allerdings gab uns ein Mann am Abend vorher den Hinweis einfach die Landstraße entlang zu fahren. Er sagte, dass man dort die Tiere, die es im Park gäbe, auch ohne Eintritt zu sehen bekommt.
Was für ein Gefühl, endlich wieder Fahrrad zu fahren! Endlich wieder ein Verkehrsmittel alleine betätigen. Hier in Kisumu ist das unmöglich, weil man als ungeübter Links-Verkehr-Teilnehmer ganz bestimmt nach den ersten 20 Metern umgegurkt wird.  Und wieder kam so ein Gefühl von Freiheit und Glück in mir auf. Nur, weil wir Fahrrad gefahren sind. Wunderschön, was für Kleinigkeiten einen Menschen glücklich machen können.
So radelten wir also dahin. Über den einen Berg. Über den nächsten Berg. Und den nächsten. Kein Tier. Aber wenigstens auch kein weiterer Berg mehr. Und dann, ganz plötzlich auf unserer linken Seite lief eine Warzenschweinfamilie vor uns davon. Einfach so. Miri und ich waren uns sicher: jetzt geht’s los mit den Tieren. Und tatsächlich, einige Metern weiter standen am Rand der kaum befahrenen Straße ein paar Zebras. Einfach so. Da sie nicht weggelaufen sind, stellten wir unsere Mountainbikes an die Seite und setzten uns mit zu ihnen. Nach einer halben Stunde Anstarr-Wettbewerb zwischen uns und unseren neuen Freunden und der ungelösten Diskussion, ob Zebras denn nun weiß und schwarze Streifen oder schwarz und weiße Streifen haben, beschlossen wir weiterzufahren.
Es war ziemlich warm an dem Tag und überall standen die für Afrika typischen Akazienbäume. Ab und zu lugte das Ufer des Sees zwischen den Bäumen auf der rechten Seite hervor und immer wieder kamen Schilder mit der Aufschrift: „Achtung, wilde Tiere kreuzen die Straße!“. Ehrlich gesagt, so sehr in Afrika habe ich mich in den drei Monaten noch nicht gefühlt. Und wir mittendrin auf einem Fahrrad.
Allerdings hat ein Tier gefehlt, das wir unbedingt sehen wollten. Giraffen. Und kaum hatten wir den Gedanken ausgesprochen ragte ein Giraffenhals mit Kopf hinter einigen Büschen heraus. Schnell stiegen wir ab, lehnten die Räder gegen einen Baum und schlichen uns an. Hinter der einen Giraffe standen noch 3 weitere etwas abseits, ein Gnu, Garzellen und Warzenschweine. Einfach so.

Miri und ich schlichen ganz vorsichtig an und diese Giraffe, sie bewegte sich einfach nicht, sie glotzte uns einfach nur doof an. Noch einen Schritt. Und noch einen Schritt. Die Spannung wurde immer größer. Die Giraffe, sie bewegte sich nicht. Als wir 10 Meter unmittelbar vor ihr standen, fragte ich mich, was wir eigentlich von ihr wollten. Dieses Tier war einfach so riesig und wir so klein. Es ist ein wildes und imposantes Lebewesen, also was war denn bitte unser Ziel? Dass sie uns tottrampelt? Trotzdem gingen wir weiter. Ich war so aufgeregt und nervös. Noch einen Schritt. Und noch einen, und dann. Ganz plötzlich. Sprang aus dem Busch direkt neben uns ein Warzenschwein heraus.
Dieser blöde Pumba! Ich hab einen so riesigen Schrecken bekommen! Danach war die Spannung kaputt, die Giraffe hatte keine Böcke mehr zu glotzen, drehte uns in Zeitlupe (ziemlich großer Wendekreis, wisst ihr?) den Po zu und galoppierte davon.
Wieder auf dem Rad sahen wir noch 8 oder 9 weitere Giraffen, in einem Dorf kleine Äffchen und auf dem Rückweg mussten wir anhalten, weil eine Garzellenherde die Straße überkreuzte und später noch richtig dicke große Affen. Die habe ich allerdings etwas spät gesehen, als ich mich bergab habe rollen lassen. Beinahe hätte ich die großen rotblauen Pobacken eines Affen als Fahrradständer benutzt, aber das ging ja zum Glück noch einmal gut.
Mit Affen hatten wir es in Naivasha sowieso nicht so. Miri wurde zweimal von kleinen fiesen Äffchen attackiert, als sie unser Essen (Weißbrot mit Tomate) vorbereitete. Das andere Mal hat ein Äffchen die Tüte mit Mandazis geklaut, sich ganz frech auf die andere Seite des Elektrozauns gesetzt und uns einen vorgekaut. Am Baum rechts daneben hing das Schild: „Affen bitte nicht füttern.“

Naivasha hat uns sehr gefallen und dort waren wir definitiv nicht das letzte Mal. Allerdings wollten wir weiter nach Nairobi, die Hauptstadt Kenias, um dort Miris Geburtstag zu feiern und Großstadtluft zu schnuppern.
Wie wir dort in eine Rastafari-Party platzten, welche Eindrücke wir aus Kibera, dem größten Slums Ostafrikas, sammelten, wie wir den Kilimanjaro erreichten, 10 Stunden mit einem Massai ohne Englisch- oder Kiswahilikenntnisse nach Löwen suchten und schließlich auf zeitlosen Inseln im Victoriasee landeten, erzähle ich bald im 2. Teil von „Kwa Matatu kwenda… Überall“.


                                                      
Bis dahin macht’s gut und passt auf euch auf!
Trinkt einen Eierpunsch für mich mit und hebt mir bitte einen Crêpe mit Nutella für mich auf, bis ich wieder da bin! J

Eure Luisa

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