Dienstag, 24. März 2015

Schule macht doch Spaß!

„Und mein Kind, wie war’s heute in der Schule?“. Jaja, wer kennt diese Frage nicht, egal aus welcher Perspektive man sie mittlerweile stellt. Ich konnte diese Frage aus Schülersicht nie wirklich leiden, weil Schule einfach jeden Tag gleich war. Die aufregendsten Momente meiner Schulzeit waren vor den Mathestunden, wenn wir Schüler gerochen haben, dass ein Überraschungstest nahte. In der Pause davor saß dann die gesamte Klasse zusammen und hat sich die sinnlosesten Fragen ausgedacht. Nur um unseren Lehrer abzulenken und zu zeigen, dass wir doch nicht so schlau sind, wie wir sonst immer taten.
Mein jetziger Schulalltag ist allerdings genau das Gegenteil. Jeder Tag ist anders, andauernd geschehen unerwartete Dinge und die Kinder halten Miri und mich immer auf Trab, sodass die Zeit unheimlich schnell vergeht.           Nach unserem Zwischenseminar, das im Januar in Daressalam stattfand, kehrten Miri und ich hochmotiviert und voller Ideen zurück und konnten es kaum erwarten mit neuen Projekten durchzustarten. Einige haben wir schon durchgeführt bzw. begonnen und von denen möchte ich euch jetzt ein bisschen was erzählen.


Das KARIBU-Projekt

„Karibu“ ist eins der ersten Wörter, das man auf Suaheli lernt, wenn man nach Kenia kommt. Es heißt nämlich „Willkommen“ und wird als Antwort auf „Danke“ benutzt, wenn man jemandem etwas anbietet und überhaupt heißen uns die Menschen auf der Straße mit „Karibu Kenya“ nach wie vor gerne in ihrem Land willkommen.
Miri und ich hatten die Idee auch die Schüler, Lehrer und Gäste unserer Schule willkommen zu heißen und gestalteten dafür ein Stück Wand der Assembly Hall um. In der Assembly Hall ist jeden Tag die Morgenrunde mit der gesamten Schülerschaft und dort finden auch die Elternversammlungen und Vorträge/Workshops statt.
Wir bereiteten also die 6 Buchstaben auf Karton vor, schnitten sie aus und gaben sie dann in die Klassen rein, wo die Kinder die Buchstaben nach Lust und Laune gestalten konnten. Wir waren total erstaunt, was für Kunstwerke wir zurückbekamen. Jeder Buchstabe ist einzigartig und die Kinder, das sagten uns die Lehrer, hatten viel Spaß beim Bemalen.
Einige Tage später strichen Miri, ihr Freund Marvin und einige der größeren Schüler die Stelle in der Assembly Hall, wo wir das Wort anbringen wollten. Ich konnte leider nicht dabei sein, weil ich den Tag in unserer schnuckeligen Einwanderungsbehörde verschnabelte. Wie auch immer, Miri und ich nagelten die Buchstaben am nächsten Tag an und das Ergebnis ist einfach so fröhlich und bunt, dass es nun richtig Spaß  macht in die Assembly Hall zu gehen.  Von den Lehrern haben wir leider kein Feedback bekommen, aber den Kindern gefällt es und das ist ja die Hauptsache.


Kartoffelstempel

Ich habe festgestellt, dass ich doch noch gar nicht so alt bin. Wisst ihr warum? Ich konnte mich daran erinnern, was im Kindergarten neben „Mutter-Vater-Kind“ spielen und Würmer sammeln meine Lieblingsbeschäftigung war: mit Kartoffeln stempeln.
Diesen Versuch wagten wir mit den Schülern aus dem Haushaltsworkshop. Miri und ich schnitzten Formen in die Kartoffelhälften und dann ging das fröhliche Stempeln los.
Erst mussten wir unseren Mädels helfen, aber dann hatten sie schnell raus, wie man die Farbe aufträgt und dann die Kartoffel auf das Papier drückt.
Witzig war nur, dass sie es viel interessanter fanden die Unterlage zu stempeln, als das eigentliche Bild. Jetzt haben wir eine wunderschöne Unterlage haben und sparsam gestempelte Bilder. Das war eine Aktion, die wir definitiv noch einmal wiederholen möchten, weil es riesigen Spaß gemacht hat.
Auch wenn das Hände schrubben danach anstrengend war, weil wir den Außenlack vom Schaukel streichen als Farbe genommen haben.
Doch mit Geduld und Spucke… Na, ihr wisst schon. J



Mein Freund Victor

Von meinem Freund Victor habe ich gaaaanz zum Anfang schon einmal berichtet. Das ist der Schüler, dem ich täglich die Zähne purzel, wie meine Mama jetzt sagen würde. Nun, unser Verhältnis hat sich so gefestigt, dass ich mittlerweile eine Bezugsperson für ihn geworden bin und er ist eben mein Sonnenschein. Wenn ich mal genervt bin oder wegen der Wärme vor mich hin oxidiere, kommt Victor, lächelt mich an und das Leben kann weiter gehen.
Neben dem Zähne putzen, füttere ich ihn seit einigen Monaten in den Tee- und Mittagspausen. Dabei ist mir aufgefallen, dass, während die anderen Kinder wenigstens etwas Abwechslung in ihrem Speiseplan haben, er jeden Tag zum Mittag gematschten Ugali (fester Maisbrei) mit Milch bekommt. Jeden Tag. Ich kann natürlich verstehen, dass unsere Köche bei 80 Kindern für Victor nicht noch etwas Spezielles kochen können. Er ist auch der Einzige, der das normale Essen aufgrund seiner Behinderung nicht mitessen kann. Deswegen habe ich mir vorgenommen, einmal in der Woche für ihn ein Essen zuzubereiten. Ich stelle mir da so typisches Weisheitszahn-OP-Essen vor: Kartoffel-Erbsen-Püree, oder mit Karotten, Brokkoli, vielleicht sogar ein leichtes Rührei… Mal sehen was die Google-Mitarbeiter noch so für Breiideen haben. Ich hatte deshalb auch schon ein Gespräch mit seinem Vater, der sehr positiv auf meinen Vorschlag reagiert hat. Ihr müsst wissen, Victor kommt aus einer sehr guten Familie und hat trotz seiner Schwierigkeiten eine sehr gute Erziehung genossen. Vielleicht mag ich ihn deshalb so sehr – weil er ein tollpatschiger Gentleman ist. J
Morgen Abend werde ich das erste Mal etwas kochen und es dann am Mittwoch in der Schule aufwärmen. Ob es ihm gefällt, werde ich euch dann beim nächsten Mal erzählen. Ich bin schon auf seine Reaktion gespannt.


Beauty-Stunde

Stellt euch mal vor – 4kg Nagellack erreichten uns durch eine Sammelaktion einer Bekannten von Miri aus Deutschland. Was stellt man nur mit 4kg Nagellack an? Richtig, man eröffnet einen Beauty-Club. Jeden Donnerstag ist nämlich Club Day und da dachten wir uns, dass wir vor allem die Mädchen mit unserer Beauty-Stunde mal etwas verwöhnen könnten, indem wir ihnen die Fingernägel machen.
Das Ganze läuft so ab: Die Kinder waschen und schrubben sich gründlich die Hände, bei Bedarf schneiden wir erst die Fingernägel und tragen dann den Nagellack auf. Ende vom Lied: Wir lackieren beinahe mehr Jungen als Mädchen die Nägel. Aber die Kinder, lieben es! Sie fangen sogar schon an mehrere Farben zu kombinieren und ein besonderes Highlight ist es auch, wenn wir ihnen etwas Lipgloss auftragen. Auf einmal laufen dann 20 Diven auf dem Schulgelände herum und machen sich gegenseitig alle 2 Minuten auf ihren neuen Nagellack aufmerksam. Es ist so schön mit anzusehen, denn so kann man auch mit kleinen Dingen, Kindern große Freude bringen.



Die Mülldeponie

Gleich vorweg: Das ist momentan unser größtes und schwierigstes Projekt, dessen Ende wir wohl nicht mehr miterleben werden.
Direkt gegenüber von unserer Schule ist eine riesige riesige Mülldeponie. Und wie ich schon mal erzählt hatte, wird der Müll hier in Kisumu meistens nicht abgeholt und sortiert, geschweige denn recycelt, sondern einfach verbrannt.
Könnt ihr euch annähernd ausmalen wie schlimm es auf unserem Schulgelände ist, wenn der Wind blöd steht? Der ganze Rauch, der Gestank, alles zieht zu uns rüber und ungelogen, manchmal kann man das andere Ende des Grundstücks nicht mehr erkennen.
Wie giftig diese Luft für uns ist, muss ich wohl nicht erwähnen. Dann gibt es noch ein Haufen weitere Probleme: Unzählige Fliegen und andere kleine Ungezieferhaben sich eingenistet, die Schadstoffe sickern bei Regen durch den Boden und gelangen so in den Lake Victoria, der Wind weht den leichten Müll zu uns rüber und das Grundstück ist verschmutzt und unter den Bäumen am Eingangstor „chillen“ manchmal einige der Straßenjungs, die auf der Deponie arbeiten. Kurz gesagt: Es ist ein ernsthaftes Problem.
Miri und ich wollten einfach mal schauen, was sich über diesen Ort in Erfahrung bringen lässt und was man dagegen sogar tun könnte. Über die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Daressalam gerieten wir an die Organisation „Green and Clean Cities“ (dt.: Grüne und saubere Städte). Wir lernten das Ehepaar Grace und Peter kennen, die uns sofort ernst nahmen und das Problem anpackten. Daraufhin hatten wir ein Treffen mit dem Umweltminister für Kisumu County, der uns versicherte, dass der Müllberg seit einiger Zeit verlagert werde und dieser Prozess bis zum Frühjahr 2016 abgeschlossen sein würde. (Konjunktiv 2, denn dieser Müllberg wächst einfach nur, anstatt zu schrumpfen)
Selbst wenn das stimmen sollte, haben wir uns als Ziel gesetzt, alles dafür zu tun, diesen Prozess zu beschleunigen. Letzte Woche sind Miri, Marvin und ich mit Grace und Peter die umliegenden Institutionen und Einrichtungen (eine Schule, die zur Schule gehörende Lutherkirche, ein Hotel, eine riesige Shopping Mall und die University of Nairobi) abgelaufen, um in Erfahrung zu bringen, ob sie auch betroffen sind und ob sie uns ihre Unterschrift bei einer entsprechenden Petition gäben. Nun ja, alle sind betroffen, alle leiden und alle haben uns ihre Unterstützung zugesagt. Als nächstes werden wir Briefe und eine Petition vorbereiten und dann dem Ministerium für Umwelt Feuer unter dem Hintern machen.
Es ist allerdings auch ein Dilemma: Wir sprechen nur von einer „Relocation“, also einer Verlagerung der Mülldeponie. Für uns könnte sie verschwinden, woanders allerdings wieder auftauchen. Momentan mag dieser Ort noch relativ schwach besiedelt sein, allerdings wird er bei dem rasanten Städtewachstum in 10 Jahren vielleicht genauso bewohnt sein, wie der bei uns an der Schule. Und dann stehen wieder Menschen vor genau dem gleichen Problem, wie wir jetzt. Also, wie sinnvoll und nachhaltig sind unsere Bemühungen und das Projekt überhaupt? Auf der anderen Seite leiden unsere Kinder Tag für Tag… Wir stecken in einer Zwickmühle und ein Richtig oder Falsch scheint es mal wieder nicht zu geben. Falls jemand von euch eine Idee hat… Immer her damit. :-D



Weitere schöne Sachen

Es gibt natürlich auch Projekte, die Alltag geworden sind, wenn ich da zum Beispiel an unser Mandazikochen denke, oder die Früchtetage, die wir zweimal wöchentlich durchführen. Dann schaukeln wir mit den Kindern in jeder Pause fleißig und versuchen einigen Schülern Mensch-ärger-dich-nicht und UNO beizubringen. Schön wäre am Ende des Jahres einen kleinen Wettbewerb zu veranstalten und mit den Besten etwas Kleines zu unternehmen. Allerdings sind wir davon noch Meilen weit entfernt.
Soviel also zum Thema Schule… Ich hoffe es ist mir gelungen euch einen kleinen Einblick in unseren Projekt-Alltag zu geben. Aber Schule ist ja nicht alles, wir haben ja auch noch ein Privatleben, welches ich euch ungern vorenthalten möchte.
Vielleicht treffe ich mit meiner folgenden Aussage bei euch auf Unverständnis, aber es ist hier einfach viel zu heiß. Es hat seit Monaten nicht geregnet, obwohl die Regenzeit normalerweise im März beginnt. Wenn man durch das Land fährt sieht man Waldbrände, orkanartige Böen, wir könnten unsere Wohnung alle zwei Tage putzen, weil es so staubig ist, und und und… Gibt uns bitte etwas von dem deutschen Wetter ab! Wir zarte europäische Blümchen gehen ein! :-D Nein, Spaß bei Seite, Sonnabend war zum Beispiel wieder so ein Tag, wo uns Julius, kein Wasser bringen konnte, weil einfach keins da war. Stellt euch das mal in Deutschland vor – unangekündigt Wasserausfall. Ich hoffe, dass das so schnell nicht wieder geschieht, sonst ist der Kulturschock für meine beste Freundin vorprogrammiert.
Ich bekomme nämlich gleich Besuch von meiner Jasmin! (Was für eine Überleitung :-D)
Ich freue mich schon riesig sie und somit ein Stück Zuhause wiederzusehen.
Auch Miris Freund Marvin ist gerade zu Besuch und bleibt für einen ganzen Monat hier. Mit anderen Worten, wir wohnen seit zwei Wochen zu dritt in unserer kleinen Wohnung und ab nachher zu viert. Das wird ein Gewusel, aber ein Schönes. Hoffentlich mit Wasser. Und noch hoffentlicher mit Regenwasser. J
Trotz all den Geschehnissen, die mich hier mit beiden Beinen im Leben stehen lassen, muss ich offen zugeben, dass ich mich auch wieder auf mein altes Leben freue. Wisst ihr, ich habe das Gefühl die jetzige Zeit (vor allem nach dem Zwischenseminar, bei dem wir noch einmal in die richtige Richtung geschubst wurden) ist wohl die „persönlichkeitsformendste“ Zeit, die ich hier in Kenia erleben werde. Ich fühle mich, als wäre ich Schülerin in einer Art Lebensschule und würde jeden Tag mehr und mehr lernen. Aber langsam möchte ich anfangen das Erlernte anzuwenden, und zwar zurück in meinem anderen, „richtigen“ Leben. Klar, das ist hier auch mein richtiges Leben. Allerdings unter anderen Umständen und nur auf begrenzte Zeit.
Dennoch genieße ich natürlich meinen Aufenthalt hier in vollen Zügen. Ich wollte aber nur mal erwähnen, dass ich mich durchaus auch schon wieder auf euch, die Heimat und vor allem den neuen Lebensabschnitt „Studium“ freue. J

So. Das war das Wort zum Montagmorgen. Ich hoffe, ich konnte diejenigen beruhigen, die sich schon Sorgen gemacht haben, weil ich lange nicht mehr geschrieben habe. Auf den nächsten Blogeintrag lasse ich euch nicht so ewig warten, das ist versprochen.

Macht‘s gut, bis bald, auf Wiederseh‘n. (Ich muss jetzt mal zum Obstmann geh‘n.)
(Jasmin bekommt nämlich gleich als „Karibu“ einen riesigen Obstsalat aufgetischt. J )


Eure Luisa