Freitag, 9. Januar 2015

Kwa matatu kwenda… Überall  - Teil 2
Mit dem Matatu nach…  Na, ihr wisst schon, überall eben J



Schon in der ersten Hälfte unserer Reise haben wir viel erlebt und gesehen. Kenias wunderschöne Pflanzen- und Tierwelt, die Landschaften, wir haben tolle Menschen kennen gelernt und verrückte Matatufahrten überlebt.  Aber das sollte noch lange nicht das Ende sein, im Gegenteil. Denn wenn ich so darüber nachdenke, setzten wir in der zweiten Hälfte unserer Rucksacktour überall noch einen drauf.
Nachdem wir uns in Naivasha von unserem Zelt neben den Flusspferden trennten, hieß es für Miri und mich: kwa matatu kwenda Nairobi.


Nairobi

Ab und an gehöre ich zu den Leuten, die in Berlin Auto fahren. Und jedes Mal, wenn es wieder so weit ist, spielt Nervosität eine ganz große Rolle. Vielleicht kennt ihr ja das Gefühl der Überforderung, wenn ihr in eine unklare Situation verwickelt werdet, die Hoffnungslosigkeit, wenn das Navi mit zuckersüßen Stimme die unheilvolle Botschaft verkündet „Niedriger Akkustand“ oder die Verwirrung, die ihr empfindet, wenn es jemand mal wieder nicht auf die Reihe bekommt, sich unauffällig im Straßenverkehr zu bewegen. Jaja… Dieser Verkehr in Berlin…
... ist ein Pups gegen das, was in Nairobi los ist!
Meine Güte, das ist ein einziges Drunter und Drüber! Überall Taxis, Pikipikis, Matatus und normale Busse, die im Prinzip nur größere Matatus sind. Überall laufen Menschen und stehen hohe Häuser und kleinere Stände. Ich wusste nicht, wo ich zuerst hinsehen sollte!
Zum Glück fing uns unsere liebe Freundin Chera in diesem ungewohnten Großstadttrubel auf. Chera haben wir hier in Kisumu bei einem kleinen Konzert kennen gelernt. Sie lebt etwas außerhalb von Nairobi in einem Stadteil namens Karen in einer kleinen aber feinen Wohnung, arbeitet für eine Organisation in Kibera und ist ein paar Jahre älter als wir.
Da sie uns schon in Kisumu eingeladen hatte, die ersten Nächte in Nairobi bei ihr zu verbringen, fuhren wir gemeinsam zu der Wohnung. In den 2 Stunden Fahrzeit, die wir für 15 km brauchten, fiel uns eines sofort auf: Nairobi ist eine unheimlich vielfältige Stadt.

In der Wohnung angekommen, waren Miri und ich platt vor lauter Eindrücken. Mal ehrlich, es ist ja auch eher eine hardcore-Handlung sich sofort nach der schönsten Landschaft in die größte Stadt Kenias zu begeben. Ich nenne es: einen Stresssituationsschock.
Trotz unseres Stresssituationsschocks (witzig, Windows Word zeigt ‚Stresssituationsschock‘ nicht mal als „nicht im Wörterbuch vorhanden“ an, gibt es das Wort wirklich?) gingen wir noch am gleich Abend mit Chera aus. Wir hatten ja keine Ahnung, wie der Abend enden sollte…
Der Plan sah nämlich wie folgt aus: erst auf ein Bierchen in eine Kneipe und dann auf eine Hausparty der Eltern vom Freund eines Freundes. Genau: Aha. Ich dachte das, mit den Hauspartys im Haus der unwissenden Eltern, gäbe es nur in amerikanischen Teenie-Filmen. Aber wir wollen ja mitnehmen, was wir nur können und deswegen ging es auf unsere erste kenianische Hausparty.
Wenn ich an diesen Abend denke, muss ich immer noch lachen.
Stellt euch das bitte mal vor, wir fuhren in das Reichenviertel Nairobis, der Hof des Riesenhauses war zugeparkt mit dicken Autos, im Garten standen Köche und bereiteten BBQ vor. Die Party war auf der Dachterrasse, dort standen runde Tische mit Stühlen, wunderschön geschmückt, unter einem riesigen Pavillon, Leinwände waren aufgebaut, es gab ein großes Büffet, die Gäste waren wunderschön in rot, grün, gelb angezogen, die Farben, in denen auch alles geschmückt war… Moment mal, rot, grün, gelb? Da war doch was… Und warum haben hier so viele Menschen Dread locks? Und dann fügte sich das Bild. Miri und ich waren auf einer sehr noblen Überraschungsparty für einen 40-jährigen Rastafari gelandet. Wir zwei Weißen, in keinerlei Beziehung zum Geburtstagskind stehend und auch gar nicht auffällig mit Jeans und babyblauem Pullover. Witzig war auch, dass Chera ihn nicht wirklich kannte und so saßen wir abseits von allen anderen an einem Tisch in einer dunkleren Ecke.
Trotzdem ich mich anfangs ziemlich unwohl fühlte, wurde es ein schöner Abend. Das Essen war super gut (vor allem die Schokoladen-Törtchen, oh man!) , die Musik auch und Gesprächspartner hatten wir genug, da sich keiner entsinnen konnte weiße Mädchen eingeladen zu haben. Glaubt mir, das ist eine Geschichte, die ich noch meinen Urenkeln erzählen werde!
Geburtstagsreinfeiernacht
Am nächsten Tag waren wir bei der Familie von Cheras Schwester eingeladen. Sie wohnen in einer geräumigen Wohnung in einem der vielen schönen Wohnhäuser von Karen. Wir saßen beisammen und aßen. Mehr ist dort eigentlich auch nicht passiert.
Dafür war der Abend umso schöner. Miri hatte am nächsten Tag nämlich Geburtstag und so verbrachten wir ihn mit Chera und einigen ihrer Freunden poolspielend in einer Bar.
Unser Geburtstagskind wurde am nächsten Morgen 06.30Uhr  von einem schrägen „Hääppii Böörthdäääay tuuu yuuuu…“ geweckt. So früh kann man nämlich gar nicht schön singen. Wir konnten aber nicht später aufstehen, weil Chera arbeiten musste und wir doch zusammen frühstücken wollten. Nachdem wir uns von Chera verabschiedeten und noch einmal schlafen gegangen waren,  machten wir uns auf den Weg zu unserem Hostel, um unsere Sachen abzustellen, und dann in die City.

Der erste Anlaufpunkt war das KICC-Gebäude, von dessen Aussichtsplattform man nämlich einen gigantischen Ausblick auf die Stadt hat. Es ist schwer zu beschreiben, wie Nairobi von oben aussieht. Etwas chaotisch, möchte ich sagen, da keine Stadtplaner am Werk waren, sondern einfach, wo Platz war, ein Haus gebaut wurde. Aber sonst sieht es aus wie eine normale Großstadt. Mir fällt ein, der danebenliegende Nationalpark sticht sehr heraus, denn plötzlich ist diese Millionenstadt einfach zu Ende und es erstreckt sich kilometerweit eine wunderschöne typisch afrikanische Landschaft. Wie gesagt, eine Stadt der Vielfalt und Gegensätze.

Und das durften wir auch noch einmal am nächsten Tag feststellen, als Chera uns mit zu ihrem Arbeitsplatz nach Kibera nahm und wir uns von den Verhältnissen dort ein Bild machen konnten. Kibera ist das größte Slum Afrikas, in dem rund 1 Mio. Menschen auf ungefähre 2,5km²  leben.
Für uns war es wichtig auch diese Seite Nairobis gesehen zu haben, weil es genauso dazu gehört, wie die moderne Innenstadt.
Was ich darüber sagen kann, es war tatsächlich das „Krasseste“, was ich bisher gesehen habe. Unbeschreiblich. Aber trotz den dort herrschenden Verhältnissen waren die Menschen unheimlich freundlich und offen zu uns, nannten uns nicht Muzungu und machten keine bittenden Gesten. Außerdem sahen wir viele Einrichtungen und Organisationen für jegliche Altersgruppen, die den Alltag der Menschen bunter gestalten, wie zum Beispiel Jugendclubs, Tanzeinrichtungen und sogar kleine Kinos, in denen für kleines Geld Filme gezeigt werden.
Für Miri und mich war der Besuch in diesem Stadtviertel ein sehr einprägendes Erlebnis. Natürlich negativ, aber genauso auch positiv. Und was ich jetzt weiß und wofür ich hoffentlich mein Leben lang dankbar sein werde: Auch wenn es mir schlecht geht, geht es mir gut.




Kimana

Platz 1 der Pobilder
Einer unserer größten Wünsche für die Reise war es, einmal am Kilimanjaro zu sein. Dem höchsten Berg Afrikas. Doch als wir in Kimana, einem kleinen Ort im Süden Kenias, ankamen, war er natürlich nicht zu sehen. Für die wolkenlose Sicht auf den „Kili“, wie Miri und ich ihn nennen,  standen wir am nächsten Morgen um 05.30Uhr auf. Ich frage mich gerade, wann ich das letzte Mal 05.30Uhr aufgestanden bin?! Ich glaube, irgendwann Anfang letzten Jahres, um noch schnell meine Geschichtshausaufgaben zu beenden. Uns fiel das frühe Aufstehen glücklicherweise nicht besonders schwer, denn trotz eines wunderschönen Zimmers, konnten wir kaum ein Auge zu machen. Warum? Natürlich vor Aufregung, aber vor allem wegen einer gefühlten Innentemperatur von 60°C und 300 Mücken.
Platz 2 der Pobilder
Nachdem wir gemütlich mit Ausblick auf unseren Kili gefrühstückt hatten, startete unsere erste Safari in den Amboseli National Park. Der gilt als einer der schönsten hier in Kenia, aufgrund der vielen Tiere die dort leben und weil man sich unmittelbar am Kilimanjaro befindet. Und das kann ich nur bestätigen. Neben der unglaublich schönen Landschaft, sahen wir Gnus, Affen, unheimlich viele Zebras, Büffel, die sich im Schlamm wälzten, Hyänen, Digdigs, Giraffen, Nilpferde und es gab auch Vögel. Ach, und Warzenschweine!J Leider haben wir einen schlechten Tag für Löwen erwischt, denn obwohl viele von ihnen dort leben, sahen wir keinen.
Platz 3 der Pobilder
Wer allerdings einen guten Tag hatte, war unser Guide. Er ist gebürtiger Massai und wir hatten unheimlich viel Spaß mit ihm. Was ja auch wichtig ist, wenn man mit jemandem über 10 Stunden in einem Auto sitzt und Tiere guckt.
Naja, und jetzt erzähle ich euch die absurdeste Geschichte, die ich je in meinem Leben  erlebt habe. Miri und ich fahren also mit unserem lieben Guide durch eine der wunderschönsten Landschaften Afrikas, immer mit Blick auf den Kilimanjaro, neben unserem Auto hüpften die Gnus fröhlich durch die Gegend, trödelnde Elefanten und lustig rennende Warzenschweine. Die Idylle pur!
Und was läuft bei uns im Auto für Musik? Als einzige CD? Und damit AUSSCHLIESSLICH?
Eminem. Und welches Lied? Suck my D**.
Seite zählt nicht
Beim ersten Mal haben Miri und ich uns vor Lachen nicht ein bekommen. Beim zweiten Mal auch nicht. Aber als wir es dann zum 20sten Mal hörten, ging es uns einfach furchtbar auf die Nerven. Leider hatten wir mit unserem Guide einige Kommunikationsschwierigkeiten, weil er Englisch nicht ganz so gut verstand. Und da wir uns doch so gefreut hatten, als das Lied zum ersten und zweiten Mal kam, sah er gar nicht ein es wegzuschalten. Kein Wunder, dass die Löwen keinen Bock auf uns hatten.
Dennoch hat sich der Tag gelohnt! So eine afrikanische Bilderbuchlandschaft kann man ja auch einfach nur genießen. Sogar mit Eminem im Hintergrund.
Am Abend diskutierten wir lange, wo die Reise nach Kimana hingehen sollte. Eigentlich war es der Plan an die Küste zu fahren. Allerdings ist die Sicherheitslage durch die Auseinandersetzungen anhaltend kritisch. Aud diesem Grund entschieden wir uns nach Kisii zu fahren, um Anna zum Geburtstag zu überraschen.
Bevor wir uns aber auf den Weg nach zu unseren Freunden begaben, liehen wir uns bei unserem Guide sein Auto aus und fuhren an den Fuß des Kilis. Schon von dort hatte man eine tolle Aussicht auf die umliegenden Hügel und Landschaften.
Während wir da so auf dem Auto saßen und auf die unter uns liegenden Felder schauten, empfand ich ein unheimlich großes Freiheitsgefühl. Ich habe mich nie so unbeschwert gefühlt, wie in diesem einen Moment. Wann im Leben fühlt man sich schon mal unbeschwert, ohne Druck und ohne jegliche Sorgen? Beziehungsweise wann werde ich mich wohl noch einmal so fühlen? Allein wegen diesem Augenblick hat sich für mich schon die ganze Reise gelohnt!


Huch, das ist ja auch ein Pobild... :-D


Mfangano Island und Takawiri Island

Nachdem wir Anna in Kisii überraschten und ordentlich ihren Geburtstag feierten, ging es für uns weiter über Homa Bay auf die Inseln im Lake Victoria.
Da war's noch leer!
Schon die anderthalbstündige Fahrt über den See mit sogenannten Longboats war ein einziges Abenteuer. Säcke und Paletten voller Mehl und Zucker, Trinkwasser, Mais, Zuckerrohre, Brot, wie für 3 Armeen, ach so, ich hätte ja fast die 40 Menschen vergessen, alles auf einem kleinen Schiffchen.
Unser erster Halt für den Tag und die Nacht war Mfangano Island, die zweitgrößte der 3 Inseln.
Als wir ankamen und in die Hauptstadt der Insel hineinliefen, liefen wir im Prinzip auch schon wieder raus. Es war nur eine kleine Ortschaft, ohne Autos natürlich, hier und dort mal ein Pikipiki, aber sonst nur Häuser aus Blech.
Ich hatte den Eindruck, dort sei die Zeit stehen geblieben. Fernab von jeglicher Eile, wie frei die Kinder miteinander spielten, die vielen Boote und Fischer am Ufer der Insel... An die Hektik in Nairobi war gar nicht mehr zu denken.
Am Abend trafen wir witziger Weise im Restaurant unserer kleinen Unterkunft zwei Schweitzer und einen Franzosen. Ihn haben wir besonders ins Herz geschlossen. Denn nach seiner Scheidung reist Christian nun mit seinen 64 Jahren alleine um die Welt. Er war schon 1 Jahr in Asien unterwegs und jetzt ist er seit ein paar Monaten in Afrika. Ohne, dass er ein Rückflugdatum, geschweige denn ein Ticket besitzt.  Für diesen Mut bewundere ich ihn unheimlich. Ich weiß nicht, ob ich das könnte, so ganz ohne Gewissheit und ohne Begleitung. Aber eine Erfahrung, die ich hier für mich gemacht habe, ist, dass man sein Geld eigentlich nicht besser investieren kann, als in Reisen. (Mal ganz abgesehen davon, dass ich, wenn ich mal groß bin, einen riesigen Flügel in meinem Wohnzimmer zu stehen haben möchte. :-D )
Am nächsten Morgen ging es mit einem der Longboats für uns zur kleineren Nachbarinsel Takawiri Island. Von einem Freund hatten wir gehört, dass es dort einen Platz mit Palmen und Strand gebe, wo man sogar im Victoriasee baden gehen kann. (Das sollte man sonst auf keinen Fall tun, Stichwort Bilharziose  und Flusspferde!!!) Für diesen Platz marschierten Miri und ich mit unseren Backpacks bei glühender Hitze über die ganze Insel, geführt von zwei dort lebenden Jungen. Aber alles halb so schlimm, der Anblick der sattgrünen Landschaft, des Ufers mit den Booten, den Fischern, die ihre Netze ordneten, all das ließ die Insel so paradiesisch erscheinen.
„Little Mombasa“, so tauften Miri und ich den kleinen Strandabschnitt mit den Palmen und dem weißen Sand, als wir ihn erreichten. Er gehört zum leerstehenden „Takawiri Island Resort“.
Der Sohn des Inhabers, nicht älter als wir, hält dort mit seinen jüngeren Freunden die Stellung, bis sein Vater wiederkommt. Wann immer das auch sein mag. Also, sie räumen nach jedem Sturm den Strand auf, schneiden den Rasen, ernten Kokosnüsse, kümmern sich um die Cottages und sowas alles. Ziemlich verrückt, ich habe mich ein bisschen, wie in „Die rote Zora“ gefühlt. Was aber noch verrückter war… Miri und ich haben es getan, wir waren im Lake Victoria baden. Und tatsächlich leben wir noch beide, wie ihr merkt.
Mit diesem Highlight beendeten wir unsere Tour und machten uns am noch am frühen Nachmittag des gleichen Tages mit der Fähre auf den Weg nach Hause.
Abends gab es dann ein unheimlich großes Willkommensgeschrei zu Hause mit Lisa, unserer Nachbarin Sedi und Ravia. Es ist ein wunderschönes Gefühl zu reisen, aber wieder nach Hause kommen eben auch.




Eins meiner Fazits unser Reise: Kenia ist und hat irgendwie alles. Hier ist es bergig und flach, grün und wüstenartig, überall trifft man auf andere Menschen, andere ethnische Gruppen, damit auch andere Mentalitäten und Traditionen,  hochentwickeltsten Regionen und welche, in denen nicht einmal die Grundversorgung (nach unseren Standards) gegeben ist.
Und das Krasseste für mich ist: Alle Gegensätze liegen direkt nebeneinander.
So kompakt habe ich die verschiedenen Facetten, wie unterschiedlich Menschenleben sein können, noch nie gesehen.

Nun aber genug von meinen Reiseberichten. Ich hoffe ihr seid alle wohl auf, hattet ein schönes Weihnachtsfest und seid gut ins neue Jahr gekommen? Ich wünsche euch für 2015 jedenfalls nur das Beste!
Bei uns wird es ab morgen wieder spannend, denn Miri und ich begeben uns endlich wieder auf Reisen (unsere Backpacktour ist ja nun doch schon einen Monat her). Wir fahren zum Zwischenseminar unserer Organisation nach Daressalam, also Tansania, und danach geht es urlauben bis Ende Januar auf der traumhaften Insel Zanzibar.
Ich hoffe ihr genießt eure Zeit trotz des miserablen Wetters auch. Lasst den Kopf nicht hängen, der Frühling ist nicht mehr fern! J
Passt also auf euch auf und bis zum nächsten Mal!

Eure Luisa