Sonntag, 2. November 2014

„Jambo sana!“, oder sollte ich lieber sagen: „Goedendag!“?



Glücklich in Kenia!
Anfang November – könnt ihr euch das vorstellen? Es ist schon Anfang November!
Für Viele aus meinem Jahrgang war der letzte Monat ein aufregender erster Studienmonat, Einige von euch haben gerade ihre Oktoberferien genoss und müssen morgen wieder ran, für die Meisten ist alles wie immer, nur eben in kalt, und bei mir? Ja, was soll ich euch sagen. Bei mir schleicht sich langsam der Alltag ein. Das soll jetzt nicht heißen, dass hier Langeweile aufkommt, das auf gar keinen Fall. Wer Miri und mich kennt weiß, dass wir immer auf Ideen kommen, was wir machen können. Auch wenn es nur „Schiffe versenken“ spielen ist (das ist das ideale Stromausfallspiel!).
Das Meiste für uns also eingependelt und das einst so Neue ist zu unserem alltäglichen Leben geworden. Ein Leben, das ich immer mehr lieben lerne, auch wenn mir ab und zu Dinge auf die Füße fallen, die mir die Begeisterung und Euphorie vom Anfang rauben wollen. Ich versuche sie nicht zu lassen, denn das Leben (hier) ist viel zu schön! J

So, aber nun zu meiner verwirrenden Überschrift. Ihr habt euch bestimmt gewundert, wie da etwas Niederländisches hinkommen kann. Nein, Kenia war keine Kolonie der Niederlande und nein, ich mache auch keinen Internetsprachkurs, um mich zu beschäftigen. Denn trotzdem mein privates Leben langsam zur Ruhe kommt, war in den vergangenen Wochen bei uns an der Schule ordentlich Trubel. Wir hatten nämlich zwei Wochen Besuch aus Holland. Die Personenkonstellation  zu erklären wird jetzt etwas komplizierter, aber ich probier’s mal.
Netty und Will, ein schon älteres Ehepaar, wurden von ihren Nachbarn An und Harold überredet sie nach Kisumu zu begleiten, um den Lehrern Workshops für neue Methoden der Sonderpädagogik zu geben. An ist die Koordinatorin für Studenten eines niederländischen Colleges, die hier in Kisumu 3-monatige Praktika in Projekten, wie z.B. an unserer Schule, machen. Harold wurde von An, wie das bei Mann und Frau manchmal so ist, einfach mitgeschleppt. Und warum Netty und Will privilegiert sind den Lehrern zu dem Thema etwas beizubringen, ist die eigentlich interessante Sache. Die Beiden haben zusammen eine 36-jährige Tochter mit Down-Syndrom. Bethy, so heißt sie, war auch mit und ich habe diese Frau vom ersten Moment an bewundert. Trotz ihrer Behinderung  wohnt sie alleine in einem eigenen Haus, hat einen Hund, fährt Auto, spielt Klarinette und in zwei Orchester und sie arbeitet als Lehrerassistentin in einer Sonderschule. Ist das nicht der Wahnsinn? Hinter diesem Erfolg stehen natürlich liebende und sich aufopfernde Eltern, wie Netty und Will es sind. Und besonders Netty hat sich im Laufe der Jahre der Sonderpädagogik angenommen und Methoden, wie man z.B. Lesen und Rechnen übermittelt, entwickelt und verbessert. Genau diese Methoden hat Netty unseren Lehrern erläutert und ist gemeinsam mit ihrer Tochter Bethy jeden Tag in die Klassen gegangen, um sie praktisch an den Schülern zu demonstrieren. Ich habe mich immer in die „Reading-Lesson“ geschlichen und fand es sehr beeindruckend. Durch die Kombination von Bild und Text konnten die Schüler plötzlich kleine Sätze lesen, obwohl sie vorher nie gelesen haben! Genauso war das auch mit dem Rechnen und Zählen!



In der Zeit arbeiteten Harold und Will gemeinsam mit den Jungs aus dem Holz-Workshop. Die fünf Schüler sind so aufgegangen, das ist wirklich eine tolle Klasse! Miri und ich  konnten uns auch für die Arbeit begeistern und sitzen bis heute bei den Jungs in der Klasse und malen ihre selbstgebauten Mensch-ärger-dich-nicht-Bretter an.


Sieht das nicht lecker aus?!
Will beim Vorbereiten der "Nonnaforten"
Will hatte noch eine kleine Überraschung für uns parat. Er und seine Frau sind nicht nur Supereltern, nein, sie sind auch 30-fache Superkochbuchautoren für niederländische Spezialitäten. Deswegen kochten wir an einem Morgen auch keine Mandazis, sondern „Nonnaforte“, oder so. Ich habe den Namen gegoogelt und habe nur „Nonnenfürzle“ gefunden. Das ist aber nicht das, was ich meine. Eigentlich ist der Name ja auch nicht so wichtig, denn Hauptsache ist, dass dieses Gebäck das Leckerste war, was ich bisher in Kenia gegessen habe! Vorallem wegen der Zucker-Zimt-Schicht… Oh man, ich sollte aufhören darüber zu schreiben. J

Einen großen Vorwärtsschritt hat auch unser Schaukelprojekt gemacht. Die Niederländer halfen uns  einen Mann zu finden, der die schweren Metall- durch Stoffsitze ersetzt. So ist es viel ungefährlicher für die Kinder. Ab nächster Woche wollen Miri und ich dann streichen, wir haben uns auf eine gelb-rot-Kombination geeinigt. Bilder bekommt ihr dann natürlich!

Und dann war da noch der Donnerstagabend. An und Harold luden uns für den Abend zu sich ein, um für uns zu kochen. Diesen Abend habe ich wie eine kleine Auszeit empfunden. Erstmal mit Weißen zusammen zu sein, dann war das Essen unglaublich lecker (mit Gemüse und nicht ölig!!!) und es hat mal wieder gut getan Gespräche mit Personen zu führen, die den gleichen Herkunftshintergrund haben. Natürlich kann man sich auch mit Kenianern gut unterhalten. Allerdings muss man sich oft erklären und beschreiben, wie es in Europa bzw. Deutschland läuft. Naja, und da scheiden sich die Geister und Ansichten sehr oft. Jedenfalls haben uns die Beiden an dem Abend sehr verwöhnt. Es gab sogar Kaffee, könnt ihr euch das vorstellen?! J
Am Freitag mussten wir dann von unseren Gästen Abschied nehmen. Hach ja, bei sowas bin ich immer so emotional, besonders weil mir  An so ans Herz gewachsen ist. Aber wir werden im Laufe des Jahres so viele Menschen kommen und gehen sehen. Vielleicht gewöhne ich mich ja irgendwann dran.
Montag wartete in der Schule eine Überraschung auf Miri und mich. An und Harold haben uns eine große Tüte mit Gewürzen, Mais, passierten Tomaten, Kaffee, Tee und Mayonnaise hinterlassen. Davon werden wir wohl noch das ganze Jahr profitieren, so sparsam, wie wir hier geworden sind.

Ich muss euch unbedingt noch vom letzten Wochenende erzählen. Wir hatten Besuch von den drei Freiwilligen Anna, Tobi und Kathi aus Kisii, einer 150 km entfernten, kleineren Stadt.
Nun ja, zu fünft in unserer Wohnung war es dann etwas eng. Mein Zimmer bestand nur noch aus Matratze, die Dusch-Organisation war etwas chaotisch und zu allem Überfluss ist dann Freitag Abend auch noch unser Gas, mit dem wir kochen, leer gegangen. Mit anderen Worten: am nächsten Morgen gab es kein Rührei zum Frühstück und geduscht werden musste kalt. Aber glaubt mir, das ist alles halb so schlimm. Als wir nämlich die drei in Kisii besucht haben, hatten wir mit 5 Leuten in einer Wohnung Strom- UND Wasserausfall. Das war dann schon dramatisch, weil solche Sachen wie Toilettenspülungen irgendwie eben nur mit Wasser funktionieren.   Die Hauptsache ist: wir hatten unheimlich viel Spaß und haben uns sehr über das Wiedersehen gefreut. Es ist so spannend von den Erlebnissen der Anderen zu hören und in manchen Erzählungen erkennt man sich echt wider.
Am Sonnabend ging für uns der Tag schon um 6.30Uhr los, denn wir hatten eine lange Wanderung in das Hochland Kenias vor uns. Mit im Boot waren noch Jonas, ein anderer weltwärts-Freiwilliger, jedoch nicht von unserer Organisation, und seine Schwester Maria, die ihn gerade besucht hat.
Um 08.00Uhr ging es für uns dann mit dem Matatu los in einen dörflicheren Stadtteil namens Mamboleo. Von dort aus mussten wir dann PikiPikis nehmen, die uns immer näher an die Berge heranfuhren.
Kisumu und der Victoriasee liegen in so einer Art Schale, sind also umgeben von diesem gigantischen Gebirge. Der Bubbel, der da in der Mitte auf einem der Berge klebt, das war unser Ziel. Der „Monkey Rock“.
Noch beim PikiPiki fahren, habe ich mich gefragt, was wohl hinter den Bergen liegt...
Der Aufstieg war unheimlich anstrengend, weil wir in der Mittagshitze der Äquatorsonne mehr oder weniger wanderten. Es war tatsächlich eher ein Wanderklettern inklusive einer unheimlich hoher Transpirationsrate!


Miri, Tobi, Anna und ich
Zum Glück sind wir auf halber Höhe auf einen kleinen Wasserfall gestoßen und konnten uns da etwas abkühlen.












Miri und ich waren auch gleich wieder fit genug, um witzige Fotos zu machen.
An dieser Stelle möchte ich einmal erwähnen, dass Miri und ich das perfekte Team sind. Sie ist so viel mehr geworden, als nur eine Mitfreiwillige. Entschuldigung, dieser emotionale Einwurf musste mal sein.
Zu dem Zeitpunkt am Bach wussten wir noch nicht, dass wir noch eine weitere Stunde durch hohes Gras krakseln müssen und erst auf halber Höhe waren. Doch schon von dieser Stelle aus hatte man eine tolle Aussicht!

Vom Wasserfall aus fotografiert - hinter der Hügeln erkennt man eine Bucht des Victoriasees


Wir liefen weiter und plötzlich sah ich, was hinter den Bergen lag. Es war verrückt. Eine ganz andere Landschaft, hügelig, grün, überall diese Steine, die wie Streusel aus dem Grad ragten, vereinzelt Kühe und Esel und kleine Lehmhäuschen. Es war wie in einer Parallelwelt und ich habe mich mal wieder wie ein kleiner Hobbit aus "Der Herr der Ringe" gefühlt. Meine Worte und die Bilder können die Weite, die Atmosphäre und die Natur kaum beschreiben. Bevor wir den "Monkey Rock" erreichten, mussten wir ein Bergdorf passieren. Die Menschen dort leben wirklich nur mit vom Nötigsten und bauen sich das was sie brauchen selbst an. Bohnen, Kohl, Mais, Getreide... Wir mussten nämlich durch die Felder laufen, deswegen ist  mir das so aufgefallen. Swahili, geschweige denn Englisch, konnte man mit ihnen auch nicht wirklich sprechen. Stellt euch mal vor, sie wohnen eigentlich so nah am modernen Leben und doch so weit entfernt. Ist das nicht ziemlich verrückt?

Verrückt war auch, was uns erwartete, als wir dann endlich endlich den "Monkey Rock" erreichten. Stundenlanges Wanderklettern, Schwitzen und Rummaueln haben sich gelohnt. Die Aussicht war schlichtweg unfassbar!
















Zum Schluss: Das stolze Gruppenfoto! 





Gottesdienst mal anders
Am Sonntag schlich ich mich morgens aus dem Bett, für mich war es nämlich an der Zeit in die Kirche zu gehen. Die Woche zuvor hattee ich tatsächlich eine Neuapostolische Kirche in einem Slumgebiet gefunden und am letzten Sonntag sollte ein großer Gottesdienst stattfinden.
Nur leider nahm klein Luisa ein ungünstiges Matatu und kam voll zu spät. Diese Busse fahren nämlich erst los, wenn sie voll sind, also richtig voll. Normalerweise passen da 14 Leute rein, wir saßen aber schon mit 21 Personen in einem. Ich machte mich also voll verrückt, weil es schon 10.43 Uhr war, als ich ankam und die Menschen in diesem Teil Kisumus haben, glaube ich, noch nie einen rennenden Weißen gesehen, so wie sie jubelten. Jedenfalls habe ich, typisch Europäer, vergessen, dass ich in Afrika bin und Zeit hier keine große Rolle spielt. Der Gottesdienst fing nämlich statt 10.30Uhr erst irgendwann gegen 11.10 Uhr an. So viel zum Thema „Hakuna Matata“ (keine Sorge) und „polepole“ (langsam).
Die kleine aber feine Gemeinde
Nach dem Gottesdienst lud mich die Gemeinde zum Mittagessen in das Haus einer Familie ein. Ich dachte, dass wir mit der ganzen Gemeinde zusammen sitzen und essen. Wisst ihr, wie aus dieser Coca Cola Werbung, wo alle lachen und sich das Essen über den langen Tisch reichen. Nein, so war es natürlich nicht. Ich saß ausschließlich mit den Amtsträgern (den Männern mit den schwarzen Anzügen, die bei uns die Gottesdienste halten) in einem engen, dunklen Raum einer Lehmhütte, während dessen die Frauen draußen in der Hitze kochten und die andern Männer auf Plastikstühlen im Schatten saßen und sich unterhielten. Ich habe mich wirklich unwohl gefühlt. Der Muzungu, wie wir Weißen hier genannt werden, darf bei solch einer Zusammenkunft der Ämter dabei sein… Und das alles nur weil ich eine andere Hautfarbe habe…
Als das Essen aufgetischt wurde, mümmelte ich an meinem Fisch (mit Kopf, Schwanz, Flosse und Innereien) herum in der Hoffnung, dass sich die Leute draußen etwas von dem Essen dabehalten haben. In solchen Momenten tu ich mich schwerer mich den traditionellen Hierarchien anzunehmen. Ich empfinde Ungerechtigkeit, worin Andere die Normalität sehen. Das war wirklich eine beeindruckende und zum Nachdenken anregende Erfahrung.



Ich hoffe euch geht es allen gut! Habt morgen einen guten Start in die Woche und lasst den Kopf nicht hängen. Denkt immer dran: Nächsten Monat ist schon Weihnachten! J

Also, passt auf euch auf und Grüße auch von Miri!

Eure Luisa



PS:   Ein Highlight der Woche war gestern. Für Miri hieß es nämlich „Schnipp schnapp, Haare ab“. Jetzt ratet mal, wer das machen durfte… Das letzte Mal habe ich meiner Cousine Carolin einen Pony geschnitten und ich kann mich dunkel daran erinnern, dass die Anderen davon nicht halb so begeistert waren, wie ich selbst. Das habe ich Miri natürlich nicht erzählt. In der Version von gestern waren meine Tante und Carolin hin und weg von dem neuen Gefährt in Carolins Gesicht. J
Jedenfalls hat gestern aber alles geklappt und Miri ist zufrieden. Vielleicht denke ich doch noch einmal über meinen Berufswunsch nach.